Die Haltung von Wildtieren im Zirkus stellt nicht nur ein großes Tierschutzproblem, sondern auch ein Risiko für die öffentliche Sicherheit dar. Das Verhalten von Löwen, Tiger, Elefanten und anderen Wildtierarten ist grundsätzlich instinktgesteuert und somit unberechenbar.
Im Zirkusalltag sind leicht auf- und abbaubare Gehege notwendig, die keine ausreichende Sicherheit bieten. Eine weitere Gefahrenquelle ist der direkte Kontakt zwischen den Tieren und den Zirkusmitarbeitern. Aber auch Zirkusbesucher, unbeteiligte Anwohner oder Verkehrsteilnehmer sind während Zirkus-Gastspielen und -transporten einem hohen Risiko ausgesetzt.
Der europäische Tierschutz-Dachverband Eurogroup for Animals weist in einem im April 2021 erschienenen EU Bericht auf eine schockierende Anzahl an gefährlichen Zwischenfällen hin, an denen Wildtiere in Zirkussen beteiligt waren.
In den letzten 24 Jahren, von 1995 bis 2019, wurden in der EU insgesamt 478 Vorfälle mit Wildtieren in Zirkussen registriert. Die höchste Anzahl an Vorfällen wurde in Deutschland (202 Fälle) verzeichnet, gefolgt von Frankreich (85) und Italien (44).
Insgesamt wurden 13 Menschen getötet und 99 Menschen als Folge eines Vorfalls mit einem Wildtier in einem Zirkus verletzt. 13 verschiedene Tierarten waren an Vorfällen beteiligt, bei denen Menschen verletzt und getötet wurden. Tiger und Elefanten verursachten die höchste Anzahl von Verletzungen. Menschliche Todesfälle wurden von Tigern, Elefanten und Bären verursacht.
74 der Unfälle standen im Zusammenhang mit Tigern. Das ist besonders hervorhebenswert, da Tiger laut Entwurf der neuen Zirkusverordnung in Deutschland uneingeschränkt weiter in Zirkussen gehalten werden dürfen.
Der Bericht zeigt, dass die Haltung von Wildtieren im Zirkus nicht nur ein großes Tierschutzproblem, sondern auch ein Risiko für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die leicht auf- und abbaubaren Abgrenzungen von reisenden Zirkusbetrieben und die Nähe der Besucher zu gefährlichen Tieren bergen Risiken in sich, die nicht vollständig zu beherrschen sind.
Nach wie vor fehlen wirksame Regelungen auf Bundesebene in Deutschland. Bereits mehrfach hat der Bundesrat in den vergangenen 15 Jahren Bundesratsinitiativen für ein Wildtierverbot im Zirkus verabschiedet. Diese wurden jedoch bisher von der Bundesregierung blockiert, mit dem Argument, dass ein solches Verbot einem Berufsverbot gleichkomme und deshalb nicht zu rechtfertigen sei. Weitere Informationen finden Sie hier.
Am 19.11.2020 hat Bundeministerin Julia Klöckner ihren Entwurf der „Tierschutz-Zirkusverordnung“ vorgestellt, in dem sie das Zurschaustellen bestimmter Wildtierarten in reisenden Zirkussen verbieten will. Konkret sieht der Entwurf ein Verbot für Giraffen, Elefanten, Nashörner, Flußpferde sowie Primaten und Großbären vor. Dies ist seit langer Zeit der erste Schritt der Politik, sich den gravierenden Tierschutzproblemen im Zirkusgewerb anzunehmen.
Auch wenn der Entwurf für VIER PFOTEN nach jahrelangem Kampf ein Teilerfolg ist, greift er deutlich zu kurz. Einerseits sind viele Tierarten, wie zum Beispiel die im Zirkus weit verbreiteten Löwen und Tiger von der Verordnung ausgeschlossen. Sie sollen weiterhin unter den Haltungsbedingungen und der fragwürdigen Dressur dürfen. Auf der anderen Seite enthält der Entwurf eine Art Bestandschutz. Lediglich die Neuanschaffung der oben genannten Spezies für den Zirkus wird konkret untersagt. Abgabefristen für bereits vorhandene Tiere fehlen völlig.
VIER PFOTEN hat zusammen mit zahlreichen, weiteren Tierschutzorganisationen eine gemeinsame Stellungnahme zum Referentenentwurf verfasst. Diese können Sie hier herunterladen.
VIER PFOTEN fordert die Erweiterung der Verordnung um:
- Ein vollumfängliches Wildtierverbot im Zirkus
- Angemessene Abgabefristen für bereits vorhandene Tiere
Andere europäische Länder sind Deutschland hier deutlich voraus und verbieten die Wildtierhaltung im Zirkus bereits teilweise oder sogar ganz. Eine Übersicht aller Einzelverbote ist hier zu finden.
Die Corona-Pandemie traf die gesamte Veranstaltungsbranche mit voller Wucht, auch Zirkusbetriebe leiden unter Einnahmeausfällen. Der Start der Zirkus-Saison wurde aufgrund der Corona-Krise abgebrochen, alle Vorstellungen mussten abgesagt werden. Da gerade erst die Winterpause beendet wurde, gab es oft keine finanziellen Rücklagen, um diese Krise zu überstehen. Viele Zirkusse baten um Futterspenden, da die Tiere dringend versorgt werden mussten.
Die Corona-Pandemie hat eine große Anfälligkeit insbesondere von Zirkusunternehmen offengelegt: Neben finanziellen Engpässen beinhaltet das Reisen mit einer Vielzahl von Tierarten, öffentliche Auftritte und häufiger direkter Kontakt ein erhöhtes Risiko für die Verbreitung von Zoonosen.
Deutschland muss jetzt in der Bekämpfung der Pandemie und in der Vermeidung kommender Krisen die richtigen Prioritäten setzen. Wir müssen unseren Umgang mit Tieren, ihrem Lebensraum und ihrer Züchtung überdenken - Haltung sowie den Handel mit Tieren neu bewerten. Ein Verbot von Wildtieren im Zirkus ist lange überfällig. Nun wird es unumgänglich. Unterschreiben Sie unsere Petition und fordern Sie mit uns ein Wildtierverbot in Zirkussen.