Die Hitzewelle kommt zum Wochenende
VIER PFOTEN fordert Stopp quälender Lebendtiertransporte
Hamburg, 16. Juni 2022 – Dieses Wochenende erreicht Deutschland die erste Hitzewelle des Jahres mit Spitzenwerten von bis zu 38 Grad Celsius. Das kann für Tiere auf Lebendtiertransporten katastrophale Folgen haben. Denn während sich Menschen in Badeseen Abkühlung verschaffen, sind die Tiere den klimatischen Bedingungen auf Lkw und Schiffen hilflos ausgeliefert. Das gilt für Transporte innerhalb der Bundesrepublik, der EU und in weit entfernte Drittstaaten. Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Geflügeltiere und Kaninchen leiden unter den hohen Temperaturen. Dennoch rollen weiter Tiertransporter in Deutschland und deutsche Veterinär:innen genehmigen immer wieder Hitze-Transporte über Länder wie Spanien bis nach Marokko oder Ägypten. Hier herrschen regelmäßig Temperaturen von 40 Grad Celsius, teilweise sogar höher. VIER PFOTEN fordert, Transporte sofort auszusetzen, sobald die Außentemperaturen mehr als 25 Grad Celsius betragen. Darüber hinaus bittet die internationale Stiftung für Tierschutz die Bevölkerung um erhöhte Aufmerksamkeit und darum, während der Hitze auffällige Transporter bei der Polizei zu melden.
Jürgensen weiter: „Die Temperaturen in den Fahrzeugen sind noch höher als die Außentemperaturen, da die Tiere Wärme abgeben. Die Transportfahrzeuge haben keine Kühlsysteme, die die Temperaturen im Inneren effektiv herunterkühlen. Die viel zu lasche EU-Verordnung, die Langstreckentransporte mit Temperaturen im Fahrzeug-Inneren bis zu 30 Grad Celsius erlaubt, wird oftmals nicht einmal eingehalten. Das ist Tierquälerei für jedes Tier, das in brütender Hitze seinem Tod entgegenfährt. Die derzeitige EU-Tierschutz-Transportverordnung, die in allen Mitgliedstaaten der EU eingehalten werden muss, schützt die Tiere kaum und muss dringend überarbeitet werden. Ihre Einhaltung wird kaum kontrolliert und Verstöße werden viel zu wenig sanktioniert. Das muss sich dringend ändern. Auch die nationale Tierschutztransportverordnung, die vor Kurzem marginal verändert wurde und nun innerdeutsche Transporte von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen zum Schlachthof bei Außentemperaturen von über 30 Grad Celsius auf maximal 4,5 Stunden Dauer beschränkt, schützt die Tiere nicht annähernd ausreichend. Denn bei Temperaturen von 30 Grad Celsius sollte gar kein Tiertransport stattfinden. Zudem wurden Geflügeltiere und Kaninchen nicht mit in diese Regelung einbezogen – ausgerechnet die Tiere, die aufgrund von Hitze häufig sterben.
Es darf nicht länger an Symptomen herumgedoktert werden, sondern es gehört das gesamte System tiergerecht umstrukturiert. Tiertransporte müssen auf ein Minimum reduziert und lokale statt dezentrale Strukturen geschaffen werden. Die ,Produktion‘ sogenannter ,Nutztiere‘ muss drastisch reduziert und der Transport lebender Tiere muss durch Fleisch oder Zuchtsamen ersetzt werden. Grausame Tiertransporte müssen generell – unabhängig von Extremtemperaturen – verboten werden.“
Transporte trotz Hitze ohne Rücksicht auf Verluste
Tiertransporte innerhalb Deutschlands werden sogar bei über 30 Grad Celsius durchgeführt. Dies ist nach der deutschen Transportverordnung für Schlacht-Transporte bestimmter sogenannter Nutztiere mit einer Dauer bis zu 4,5 Stunden immer noch erlaubt. Geflügel und Kaninchen dürfen sogar 12 Stunden transportiert werden. Das endet für diese Tiere oft tödlich. Durch die Körperwärme der Tiere und aufgrund mangelnder Ventilation ist es in den Fahrzeugen immer wärmer als in der Umgebung – vor allem für die Tiere, die in der Mitte des Fahrzeugs eingepfercht sind. Insbesondere Tiere, die in Kisten befördert werden, werden in Fahrzeugen des Typ I transportiert, die nicht einmal einen Ventilator haben. Aber auch Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen werden in größtenteils nicht klimatisierten Lkw sowohl innerdeutsch als auch grenzüberschreitend innerhalb der EU, als auch in weit entfernte Länder außerhalb der EU gebracht.
300 quälende Stunden für Rinder
Schwangere Rinder werden von Deutschland aus oftmals nicht nur per Lkw, sondern auch über das Meer, auf schrottreifen, vollkommen ungeeigneten Schiffen tage- bis wochenlang transportiert. Eng eingepfercht, stehen die Tiere auf den ausgedienten Schiffen, die ehemals Autos transportiert haben. Die fühlenden Lebewesen leiden unter der sengenden Hitze und unvorstellbarem Durst. Bis zu 300 Stunden quälen sich die Tiere: eine einzige Tortur, die die Transporte zur Höllenfahrt macht.
Regelungen werden missachtet
Laut EU-Verordnung dürfen Langstreckentransporte (Transporte über acht Stunden) nicht genehmigt werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass 30 Grad Celsius oder mehr im Inneren der Lkw auf der Strecke zu erwarten sind. Die bei Langstreckentransporten verpflichtenden Ventilatoren in den Lkw können im besten Fall die warme Luft an einigen Stellen etwas herumwirbeln, nicht aber für eine Abkühlung sorgen. Ab vorhergesagten Außentemperaturen von 25 Grad Celsius sollten deswegen Tiertransporte nicht mehr durchgeführt bzw. genehmigt werden. Dies muss für die gesamte Strecke inklusive Zielort gelten. Und damit auch für Transporte, die von Deutschland mit seinen derzeit schon sehr hohen Temperaturen in noch heißere Zielgebiete wie Spanien und Enddestinationen wie Marokko, Algerien oder Ägypten gehen. Dennoch finden diese Fahrten mangels regelmäßiger Kontrollen und oft lax abfertigender Veterinär:innen viel zu häufig statt – dabei sterben immer wieder zahlreiche Tiere aufgrund von Hitzestress und Erschöpfung.
Tödliche Transporte: Schweine und Geflügel können nicht schwitzen
Dass bei Extremwetterbedingungen nicht nur Langstreckentransporte in EU- oder Drittstaaten, sondern auch innerdeutsche Routen lebensgefährlich für die Tiere sind, liegt an der schnell entstehenden Hitze:
VIER PFOTEN Nutztierexpertin Ina Müller-Arnke: „Kommt ein Tiertransport zum Beispiel wegen Stau oder Wartezeiten zum Stehen, steigen die Temperaturen im Fahrzeug schnell um mehrere Grad an. Hitzestress kann sehr schnell zum Herz-Kreislaufkollaps und damit auch zum Tod führen. Schweine können nicht schwitzen und regulieren ihre Körpertemperatur in der Natur durch Wälzen und Suhlen, was auf Transporten unmöglich ist. Sie leiden dadurch schnell an Hitzestress, oftmals mit Todesfolge. Auch Geflügeltiere können nicht schwitzen. Bei Hitzestress ‚hecheln‘ diese durch den geöffneten Schnabel. Sie spreizen normalerweise die Flügel, um Wärme abzugeben – wofür aber im engen Transporter kein Platz ist. Denn die Tiere werden auf mehreren Ebenen übereinander in Kisten eingepfercht. Einzelne Tiere können so weder versorgt noch im Notfall gerettet werden. Immer wieder sterben zahlreiche Tiere auf dem Weg zum Schlachthof oder in der Wartezeit direkt davor.
Nach den derzeit gültigen Vorschriften ist es erlaubt, Geflügeltiere bis zu 12 Stunden ohne Wasser zu transportieren und zusätzlich noch bis zu zwölf Stunden am Schlachthof im Lkw zu belassen, wenn es sich um einen grenzüberschreitenden Transport handelt. Liegt der Schlachthof in Deutschland, müssen Tiere in Transportkisten nach zwei Stunden Wartezeit am Schlachthof entweder abgeladen und geschlachtet oder mit Wasser versorgt werden. Letzteres ist gar nicht möglich.
Aber auch für Rinder ist ein Transport bei Hitze eine Qual. Rinder haben eine Wohlfühltemperatur von 15 Grad Celsius. Wir wissen, dass sie ab 25 Grad Celsius auf einem Transporter leiden. Die Symptome bei Rindern unter Hitzestress zeigen sich durch Muskelzittern, -krämpfe, Atemlähmung oder sogar Kreislaufversagen, bis hin zum Tod.“
Tiere leiden unter der Hitze: Halten Sie die Augen offen
VIER PFOTEN appelliert an die Bevölkerung, die Augen offenzuhalten und Lebendtiertransporter bei der Polizei oder Feuerwehr zu melden, wenn diese bei großer Hitze unterwegs sind, im Stau stehen oder einfach abgestellt wurden. „Eine rechtzeitige Abkühlung kann Leben retten und das Leid der Tiere reduzieren“, so Ina Müller-Arnke.
Forderungen von VIER PFOTEN
- Generelles Verbot von Abfertigungen bei zu erwartenden Außentemperaturen von über 25 Grad Celsius sowie bei Kälte unter 5 Grad Celsius und entsprechend arttypischer Eigenschaften:
- Für Legehennen: Unter 15 Grad Celsius und über 25 Grad Celsius Außentemperatur
- Für Kaninchen: Unter 5 Grad Celsius und über 20 Grad Celsius Außentemperatur
- Für Kühe während der Laktationsperiode: Unter 5 Grad Celsius und über 15 Grad Celsius Außentemperatur
- Transportverbot lebender Tiere in Drittstaaten
- Verbot von Langstreckentransporten lebender Tiere
- Transportverbot nicht abgesetzter Tiere, die noch auf Milchnahrung angewiesen sind
- Transportverbot lebender Tiere auf Schiffen
- Transportbegrenzung auf max. acht Stunden; für Geflügel, Kaninchen sowie innerhalb Deutschlands auf max. vier Stunden
- Schlachtung von Tieren im nächstgelegenen, geeigneten Schlachthof
- Einsatz für eine tiergerechte Überarbeitung der EU-Transportverordnung 1/2005
- Mehr und unabhängige Kontrollen sowie starke Sanktionen bei Verstößen
- Transport von Fleisch und Zuchtsamen statt lebender Tiere
- Eigene Zucht in Drittländern statt Import von Zuchttieren aus der EU
Oliver Windhorst
Pressesprecher für Tiere in der Landwirtschaft+49 151 183 515 30
VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
Lübecker Straße 128, 22087 Hamburg
VIER PFOTEN ist die weltweite Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Leiden aufdeckt, Tiere in Not rettet und sie schützt. Gegründet 1988 in Wien von Heli Dungler und Freunden, setzt sich die Organisation für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Empathie und Verständnis begegnen. Die nachhaltigen Kampagnen und Projekte von VIER PFOTEN konzentrieren sich auf Haustiere wie streunende Hunde und Katzen, Nutztiere und Wildtiere - wie Bären, Großkatzen und Orang-Utans - in unangemessener Haltung sowie in Katastrophen- und Konfliktgebieten. Mit Büros in Australien, Österreich, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Kosovo, den Niederlanden, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, Großbritannien, den USA und Vietnam sowie Auffangstationen für gerettete Tiere in elf Ländern bietet VIER PFOTEN schnelle Hilfe und langfristige Lösungen.