mASTHÜHNER

Welches Leid steckt hinter Hühnerfleisch?

12.10.2017

In nur 32 Tagen erreicht ein Masthuhn sein Schlachtgewicht. Wie bei kaum einer anderen Nutztierart führen schnelles Wachstum und hochgradig intensivierte Haltung zu Leiden, Erkrankungen und Schäden.

In der EU werden jedes Jahr mehr als sechs Milliarden Masthühner geschlachtet, davon 756 Millionen in Deutschland. Neben anderen Geflügelarten wie Puten und Enten machen Masthühner in der EU den größten Anteil der gesamten Geflügelfleischproduktion aus¹. Derzeit ist Polen das Land, das die meisten Masthühner innerhalb der EU produziert².

Das helle Geflügelfleisch gilt als fettarm und ist sehr beliebt. Der durchschnittliche deutsche Verbraucher verzehrt im Jahr etwa 12 Kilogramm Hühnerfleisch. Die Erzeugung von Hühnchenfleisch stieg seit dem Jahr 2006 von 552 Millionen Tieren auf 756 Millionen Tiere im Jahr 2011. Den (weltweiten) Markt teilen sich einige wenige Konzerne.

Oberstes Ziel der intensiven Produktion von Masthähnchen: Die Erzeugung von möglichst viel Fleisch mit möglichst geringen Kosten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden viele Tiere auf wenig Fläche gehalten. Sie sollen bei geringem Futterverbrauch schnellstmöglich zur Schlachtreife heranwachsen.

Den Preis hierfür zahlen die Tiere: Verhaltensstörungen, Krankheiten und hohe Sterberaten (fünf bis 7,5 Prozent³) sind die Folge. Häufig sind mehr als 30 Prozent der Masthühner krank oder verletzt, wenn sie am Schlachthof ankommen.

Aufgrund der extremen Leistungszucht und der schlechten Haltungsbedingungen sterben allein in Deutschland pro Jahr etwa 40 bis 45 Millionen Tiere. Sie werden als „Abfall“ entsorgt.

Nicht nur die Hühner, die der Fleischgewinnung dienen, leiden für die Mast. Auch in der Zucht von Masthühnern werden Methoden eingesetzt, die tierschutzrelevant sind.

Aufgrund ihrer schnellen Gewichtszunahme haben hochgezüchtete Mastrassen große Probleme mit der Fortpflanzung. Wenn sie im Alter von 24 Wochen geschlechtsreif werden, wiegen sie normalerweise schon mehr als sechs Kilogramm. Dieses extreme Gewicht führt zu diversen Erkrankungen und einer hohen Sterblichkeit. Das wiederum reduziert die Fortpflanzungsrate – denn ein schwer krankes oder totes Huhn kann sich nicht fortpflanzen.

Die in der Praxis oft gewählte „Lösung“ des Problems geht auf Kosten der Tiere: Die Geflügelbetriebe lassen ihre Zuchttiere bis zur Geschlechtsreife hungern. Sie erhalten gerade einmal 40 Prozent oder weniger der Futtermenge, die sie bei freiem Futterzugang zu sich nehmen würden. So wird die Gewichtszunahme künstlich verzögert, die Fortpflanzungsrate erhöht – und die Elterntiere geben weiterhin das Merkmal der rasanten Gewichtszunahme an ihre Nachkommen weiter.

Doch sie bezahlen dafür einen hohen Preis: Der chronische Hunger führt zu gesteigertem Aggressionsverhalten bis hin zu Kannibalismus. Diese Praxis widerspricht europäischen und nationalen Gesetzen, die allen Nutztieren eine angemessene Ernährung garantieren sollen.

zUCHT UND hALTUNG

100 Tage brauchte ein Huhn in den 1950er Jahren noch, um sein Schlachtgewicht von 1,8 Kilogramm auf die Waage zu bringen. Heute erreicht ein Masthuhn der „Spitzenklasse“ dieses Gewicht in nur noch 32 Tagen – also einem Drittel der Zeit. Der Grund: Seit den 1960er Jahren werden Masthühner gezielt auf das Leistungsmerkmal „schnelle Gewichtszunahme“ gezüchtet. Dass dies schädliche Auswirkungen für die Tiere hat, ist seit langem bekannt. Durch die miserablen Haltungsbedingungen werden diese Zuchtprobleme noch verschlimmert.

  • Stoffwechselerkrankungen: Bauchwassersucht und Herztod sind eine direkte Folge der Turbo-Zucht.
  • Mobilitäts-Einschränkungen: Das schnelle Wachstum führt zu Beinschwäche und Lahmheiten.
  • Hautkrankheiten: Das andauernde Sitzen und die schlechte Einstreuqualität verursachen Brustblasen, Hautverbrennungen und Fußballenerkrankungen. 
  • Infektionen: Hauterkrankungen sind Eintrittspforte für Bakterien.

Schlechte Haltung

Ihr kurzes, qualvolles Leben verbringen die Masthühner auf engstem Raum in meist fensterlosen Hallen auf eingestreuten Böden. Zu Beginn ihres Lebens haben die Küken noch genug Platz. Den rasant wachsenden Fleischkolossen wird es jedoch bald zu eng. In österreichischen Ställen teilen sich bis zu 18 Hühner einen Quadratmeter – im europäischen und weltweiten Vergleich haben Hühner in Österreich mehr Platz; Tierschutzexperten sehen jedoch auch diese Besatzdichte (30 kg pro Quadratmeter) als kritisch an.

Natürliche Verhaltensweisen und Grundbedürfnisse, wie Sandbaden, Flattern und Ruhen auf erhöhten Plätzen, können die Tiere in den dunklen und strukturlosen Ställen nicht ausleben. Im Extremfall sitzen oder liegen sie zum Ende der Mast nur noch. Einige Tiere kommen nicht mehr an die Tränken und verdursten. Infolge der schlechten Haltungsbedingungen und Überzüchtung kommt es zu einer überdurchschnittlich hohen Sterblichkeit. Die Todesrate dieser Turbo-Masthühner ist siebenmal höher als bei gleichaltrigen Legehennen und viermal höher als bei langsamer wachsenden Rassen.

rechtslage

Seit Juni 2009 gelten für Deutschland verbindliche Regelungen für die Haltung von Masthühnern. Die Vorgaben für die Besatzdichte sind strenger als in der EU – jedoch gibt es keine Regelungen zu Stallstrukturierung, verpflichtendem Außenklimabereich oder Rassen.

In Deutschland gibt es verbindliche Regelungen für die Masthuhnhaltung. Doch diese sind bei weitem nicht ausreichend. Masthühner dürfen auf engstem Raum zusammen gedrängt gehalten werden: Bis zu 24 Tiere pro Quadratmeter bei Besatzdichten von bis zu 35 Kilogramm pro Quadratmeter (Kurzmast), beziehungsweise bis zu 39 Kilogramm pro Quadratmeter (Langmast) sind erlaubt. Dies bedeutet sogar noch eine Verschlechterung gegenüber der vorherigen Praxis, die sich an freiwilligen Eckwerten der Geflügelwirtschaft orientierte (35 Kilogramm pro Quadratmeter.)

VIER PFOTEN hatte zum Entwurf der Regelung eine wissenschaftlich fundierte Stellungnahme abgegeben. Unsere Kritikpunkte blieben jedoch weitgehend unberücksichtig.

Die EU-Mindeststandards sind von einer annähernd tierfreundlichen Regelung sogar noch weiter entfernt. Die seit Mai 2007 vom EU-Ministerrat für Landwirtschaft und Fischerei beschlossene Richtlinie erlaubt eine Besatzdichte von 42 Kilogramm pro Quadratmeter. Bei der vielfach praktizierten Kurzmast für die Produktion von Grillhähnchen dürfen somit bis zu 28 Tiere auf einem Quadratmeter gehalten werden.

Schritte zur Vermeidung der gravierendsten Tierschutzprobleme aufgrund der einseitigen Turbo-Zucht klammert die EU-Richtlinie völlig aus. Völlig unklar bleibt außerdem, wie die Einhaltung der EU-Regelungen kontrolliert werden soll.

Zusammen mit anderen Tierschutzorganisationen hatte VIER PFOTEN auch hier bereits während der Beratungen die wichtigsten Mängel im Entwurf der Richtlinie kritisiert und Lösungsmöglichkeiten benannt. Auch diese blieben unbeachtet. So werden schwere Tierschutzprobleme durch EU-Standards für Masthühner gesetzlich legitimiert.

vier pfoten fordert

  • den Einsatz langsam wachsender Rassen bzw. Begrenzung der durchschnittlichen täglichen Gewichtszunahme.
  • maximale Besatzdichte in den Ställen: 25 Kilogramm pro Quadratmeter.
  • erhöhte Sitzgelegenheiten zum artgemäßen Ruhen.
  • an den Stall angrenzender Außenklimabereich (Wintergarten).
  • möglichst Grünauslauf.

Was Sie für masthühner tun können

  • Kaufen Sie nur Hühnerfleisch aus tierschutzgerechter Haltung, zum Beispiel mit BIO- oder einem Tierschutz-Label. 

  • Achten Sie auch auf Hühnerfleisch in verarbeiteten Lebensmitteln.
  • Fragen Sie im Restaurant nach den Haltungsbedingungen der Masthühner, wenn Sie ein Gericht mit Hühnerfleisch bestellen.
  • Reduzieren Sie Ihren Fleischkonsum und ersetzen Sie Fleischprodukte häufiger durch pflanzliche Alternativen.
  • Unterstützen Sie die Tierschutzarbeit von VIER PFOTEN mit einer Spende.

Da der Ei- und Geflügelfleischkonsum weltweit steigt, ist es in der derzeitigen Situation wichtiger denn je, die Haltungsbedingungen der Tiere zu verbessern. Durch Reduzierung des Konsums tierischer Produkte, oder sogar den gänzlichen Verzicht, trägt man als Konsument aktiv dazu bei, ein Umdenken in der Industrie zu erwirken. Weitere Infos finden Sie unter Tierschutz und Ernährung.

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