„Wir haben uns erheblich mehr von dem grün geführten Bundeslandwirtschaftsministerium erhofft. So ist zwar die im Koalitionsvertrag versprochene verpflichtende Haltungskennzeichnung beschlossen, diese wird aber ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht: Sie ist eine Kennzeichnung, die nicht kennzeichnet. Verbraucherinnen und Verbraucher haben keine Vorstellung davon, dass sich hinter den nichtssagenden Haltungsstufen-Bezeichnungen ,Stall‘ sowie ,Stall plus Platz‘ enge Betonspaltenbuchten oder ein marginales ,Plus‘ von wenigen Quadratzentimetern mehr Platz verbergen.

Für den angekündigten Umbau der Haltung von Tieren in der Landwirtschaft gibt es abseits einer Anschubfinanzierung noch immer kein solides finanzielles Fundament. Ähnlich trüb sieht es bei dem Vorhaben aus, bestehende Lücken in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zu schließen – so liegt diese derzeit etwa bei den Geflügeltieren auf Eis. Der Referentenentwurf zum Tierschutzgesetz, welches Qualzucht konkretisieren, nicht-kurative Eingriffe deutlich reduzieren und Anbindehaltung in spätestens zehn Jahren verbieten sollte, ist seit Monaten in der Ressortabstimmung und kommt nicht voran. Kein gutes Zeichen dafür, dass aus den Verhandlungen am Ende ein starkes Tierschutzgesetz hervorgeht.

Auch die Ergebnisse bei den Lebendtiertransporten sind kein Anlass zum Jubeln. Statt eines nationalen Transportverbotes in Drittstaaten gibt es bis heute nur eine halbgare Lösung, die auf den Entzug staatlicher Veterinärzertifikate setzt. Grausame Lebendtiertransporte von Deutschland in tierschutzrechtliche Risikostaaten bleiben trotzdem weiterhin möglich.  
Bei den Heimtieren und Wildtieren sieht es nicht viel besser aus: Bis heute gibt es keine gesetzliche Pflicht zur Kennzeichnung und Registrierung von Hunden und Katzen. Und bis dato versäumte es das Bundeslandwirtschaftsministerium, ein Verbot für Wildtiere in Zirkussen zu verankern – damit bleibt Deutschland weiterhin Schlusslicht in Europa.

Zumindest ein kleiner Lichtblick: Das Versprechen zur Berufung einer Tierschutzbeauftragten wurde von der Bundesregierung eingelöst. Mit Ariane Kari bekommt der Tierschutz damit die dringend benötigte unabhängige Stimme im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Das ist insgesamt viel zu wenig auf der Habenseite, aus Tierschutzperspektive fällt die Halbzeitbilanz deswegen enttäuschend aus: Eher Stückwerk als Meisterstück. Hier muss die Koalition noch ordentlich und mit hohem Tempo nachlegen – die Zeit drängt."

Rüdiger Jürgensen, Mitglied der Geschäftsleitung VIER PFOTEN Deutschland