Corona als billige Ausrede zur Aushöhlung von Standards bei Ferkelkastration

Beim Ende der betäubungslosen Ferkelkastration fordert Bauernverband Reduzierung der Landwirt-Schulungen auf Online-Kurse und Verzicht auf praktische Prüfungen

15.5.2020

Hamburg, 15. Mai 2020 – VIER PFOTEN lehnt die aktuellen Forderungen des Bauernverbandes bei den geplanten Schulungen der Landwirtinnen und Landwirte zur Ferkelkastration ab. Im Rahmen des Endes der betäubungslosen Ferkelkastration ab Anfang 2021 fordert der Bauernverband vor dem Hintergrund der Corona-Krise drastische Vereinfachungen bei den Lehrgängen und Prüfungen. So sollen die theoretischen Schulungen zur Durchführung der Narkose und Kastration bei Ferkeln reduziert und teilweise durch Online-Kurse ersetzt werden. Die praktischen Prüfungen im Umgang mit den Narkosegeräten sollen durch die Bescheinigung des Hoftierarztes abgelöst werden. Der Verband verlangt darüber hinaus die Anwendung der Lokalanästhesie.

Dazu kommentiert VIER PFOTEN:

„Der Bauernverband ist sich nicht zu schade, die Corona-Pandemie als billige Ausrede zu nutzen, um die für die Kastration notwendigen Schulungen der Ferkelerzeugerinnen und Ferkelerzeuger auf ein Minimum zu reduzieren. Der vom Bauernverband geforderte Online-Kurs ist ein schlechter Witz. Einen chirurgischen Eingriff kann man nicht mal eben am Laptop lernen. Und: Der erneute Ruf nach dem Vierten Weg bringt das Fass endgültig zum Überlaufen und zeigt, wie wenig dem Bauernverband das Tierwohl am Herzen liegt. Niemand würde akzeptieren, dass Hunde und Katzen von den Tierhalterinnen und Tierhaltern selbst narkotisiert und kastriert werden, nachdem diese eine Online-Schulung mitgemacht haben.
 
Leider wird von Politik und Industrie weiterhin auf die mit Tierleid verbundene Kastration gesetzt, anstatt auf erprobte, tierfreundliche Alternativen. Viel wichtiger wäre, dass Bauernverband, Schlachtunternehmen und Bundeslandwirtschaftsministerium jetzt den Weg für die Ebermast mit Impfung gegen Ebergeruchden freimachen. Die Sauenhalterinnen und Sauenhalter, die impfen wollen, brauchen dringend diese Unterstützung. Es ist absolut unverständlich, warum die Anschaffung von Isoflurangeräten vom Bund finanziell unterstützt wird, die Mehrkosten der Impfung gegen Ebergeruch jedoch nicht“

Rüdiger Jürgensen, Geschäftsführer VIER PFOTEN Deutschland

Zum Hintergrund

Mit der Verlängerung der eigentlich schon ab Ende 2018 verbotenen betäubungslosen Kastration von Ferkeln um weitere zwei Jahre ist bei weiten Teilen der Gesellschaft bereits massiv Vertrauen in die politische Verlässlichkeit sowie in die Nutztierhaltung in Deutschland verspielt worden. Zudem wurde die Verordnung dermaßen aufgeweicht, dass Landwirtinnen und Landwirte zukünftig eigenhändig Ferkel in Vollnarkose versetzen und kastrieren dürfen. Durch eine nur 12-stündige Schulung sollten diese die nötige Sachkenntnis erlangen, um die chirurgischen Eingriffe selbst durchführen zu dürfen. Dabei gehören chirurgische Eingriffe nicht in die Hände von tiermedizinischen Laien.

Doch jetzt sollen die ohnehin schon viel zu niedrigen Anforderungen noch weiter gesenkt werden. In einer Erklärung des DBV-Präsidiums vom 12. Mai 2020 fordert der Bauernverband eine drastische Reduzierung der theoretischen Schulung der LandwirtInnen sowie die Streichung der praktischen Prüfung durch eine Bescheinigung durch den Hoftierarzt. Zudem soll die Lokalanästhesie durch den Tierarzt nach dem 1.1.2021 weiterhin ermöglicht werden. Dabei bestätigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass eine Lokalanästhesie für eine Kastration keine Schmerzausschaltung erwirken kann.

Tierfreundliche Alternativen werden nicht gefördert

Die chirurgische Kastration von Ferkeln kann komplett vermieden werden, wenn die Tiere als Eber gemästet oder z.B. gegen Ebergeruch geimpft werden. Die Impfung wird vom bundeseigenen Friedrich-Löffler-Institut als die aus tierschutzfachlicher Sicht beste Methode empfohlen. Doch bisher wurde diese Variante im Gegensatz zu Isofluran vom Bundeslandwirtschaftsministerium weitgehend ignoriert und auch nicht finanziell gefördert.

Dabei wären Förderung und Aufklärung jetzt besonders wichtig, um diese tierfreundlichen Methoden voran zu bringen. Denn immer noch blockieren vor allem Schlachtbetriebe und vereinzelt Handelsketten die Impfung gegen Ebergeruch. Dabei wird dieses Verfahren in Ländern wie Belgien und Neuseeland längst praktiziert. Viele Sauenhalterinnen und Sauenhalter wollen impfen, bekommen jedoch keine Abnahmegarantien. VIER PFOTEN sieht die Bundesregierung in der Pflicht, hier tätig zu werden und den Weg freizumachen für mehr Tierwohl, z.B. indem sie die Mehrkosten für die Impfung zum Teil durch Fördermittel auffängt.

Die Impfung kann durch Landwirtinnen und Landwirte oder auch durch geschulte Fachkräfte durchgeführt werden und bewirkt, dass die Tiere keinen Ebergeruch entwickeln. Ebergeruch kann entstehen, wenn männliche Schweine geschlechtsreif werden. Die Quote liegt allerdings nur bei wenigen Prozent.

Eine Stellungnahme der Tierschutzorganisationen VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz, Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Bund gegen Missbrauch der Tiere sowie der Bundesverband Tierschutz zum „Referenten-Entwurf einer Verordnung zur Durchführung der Narkose mit Isofluran bei der Ferkelkastration durch sachkundige Personen" können Sie hier downloaden.

Weitere Informationen zu Alternativen zur betäubungslosen Kastration finden Sie hier

Oliver Windhorst

Pressesprecher für Tiere in der Landwirtschaft

presse-d@vier-pfoten.org

+49 151 183 515 30

VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
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VIER PFOTEN ist die weltweite Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Leiden aufdeckt, Tiere in Not rettet und sie schützt. Gegründet 1988 in Wien von Heli Dungler und Freunden, setzt sich die Organisation für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Empathie und Verständnis begegnen. Die nachhaltigen Kampagnen und Projekte von VIER PFOTEN konzentrieren sich auf Haustiere wie streunende Hunde und Katzen, Nutztiere und Wildtiere - wie Bären, Großkatzen und Orang-Utans - in unangemessener Haltung sowie in Katastrophen- und Konfliktgebieten. Mit Büros in Australien, Österreich, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Kosovo, den Niederlanden, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, Großbritannien, den USA und Vietnam sowie Auffangstationen für gerettete Tiere in elf Ländern bietet VIER PFOTEN schnelle Hilfe und langfristige Lösungen. 

www.vier-pfoten.de

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