Ein Interview mit dem Künstler Hartmut Kiewert 

Wie Mensch und (Nutz-)Tier miteinander leben könnten und welche Rolle unsere Ernährung dabei spielt 

18.2.2019

Die Gemälde von Hartmut Kiewert sprechen Bände. Ruinen von Fleischfabriken und Mastanlagen, Hühner, Schweine und Kühe, die frei auf den Straßen herumlaufen. Tiere sind hier schon lange keine Produkte mehr im Supermarktregal. Kann so die Zukunft aussehen oder bleibt es eine reine Utopie?  

Im Interview verrät der Künstler, warum er sich gerade der Mensch-Tier-Beziehung widmet und was er dadurch erreichen möchte.

Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für die Kunst entdeckt und warum liegt Ihr Fokus dabei auf der Darstellung der Mensch-Tier-Beziehung?

Schon als Kind habe ich gerne gezeichnet und hatte den Wunsch Maler zu werden. Angefangen zu malen habe ich 2001 während meines
Architekturstudiums. 2003 habe ich dann an die Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle gewechselt und dort Malerei studiert. In dieser Zeit habe ich mich zunehmend mit Gesellschafts- und Herrschaftskritik beschäftigt. Diese gesellschaftspolitische Dimension wollte ich dann auch in meine Malerei einfließen lassen und suchte nach einem Thema, das sich im Medium der Malerei gut behandeln lässt. Das ambivalente Verhältnis zwischen Mensch und Tier hat mich schon seit meiner Kindheit beschäftigt. Da es auch schon seit den ersten Höhlenmalereien Thema in der Bildenden Kunst ist, erschien es mir gut geeignet um es mit mit den Mitteln der Malerei neu zu verhandeln.

Wie bleiben Sie kreativ?

Es sind ganz unterschiedliche Dinge, die mich inspirieren. Das Betrachten von inspirierender Malerei kann genauso Impulse geben, wie Beobachtungen im Alltag, Debatten über gesellschaftspolitische Zusammenhänge oder Gespräche über meine Bildwelten. All diese Dinge arbeiten auch ständig im Hinterkopf. Irgendwann entstehen daraus neue Ideen für Bilder. Auch beim Malen selbst finden öfters neue Bildideen zu sich.

Inwiefern spielt in Ihren Kunstwerken der Verzehr von tierischen Produkten eine Rolle?

Als ich vor gut 10 Jahren anfing meine künstlerische Arbeit der kritischen Reflexion des Mensch-Tier-Verhältnisses zu widmen, war der Verzehr tierischer Produkte ganz unmittelbar Thema. Menschen begegnen ja sozusagen tagtäglich Teilen von Tieren in Form von Produkten im Supermarkt oder auf ihren Tellern. Genau das wollte ich anfangs thematisieren. Etwa durch Rückkopplung der individuellen Tierkörper an Wurstscheiben und Schnitzel. Die verdrängte Gewalt gegen die tierischen Individuen, die der Verzehr solcher Produkte mit sich bringt, sollte im Bild sichtbar werden.  Auch in den utopischen Szenarien ist dies immer noch Thema. Dadurch, dass etwa in einer Shopping-Mall Schweine und Ziegen auftauchen, verwiesen die Bilder damit auch darauf, dass diese Tiere in unserer heutigen Alltagswelt an diesen Orten eben nur als zu Waren verwurstete Teilstücke und Inhaltsstoffe vorkommen.

In Ihrem Bilderkatalog ANIMAL Utopia geben Sie den Tieren einen anderen, neuen Lebensraum, fernab der Intensivtierhaltung. Sie leben frei auf den Straßen, in Häusern, Wäldern oder Parks – also direkt mit uns Menschen. Sieht so die Zukunft aus?

Meine gemalten Szenarien sind zunächst einmal der Versuch die Betrachter zu irritieren. Dadurch, dass so genannte „Nutztiere“ sonst nicht in unserer Alltagswelt auftauchen, sondern in Mastbetrieben und Schlachthöfen weggesperrt sind, wirft sich die Frage auf, warum sie eigentlich heute gefangen gehalten und getötet werden. Warum spazieren sie eigentlich nicht zusammen mit uns auf den Straßen? Ich freue mich, wenn ich mit diesen Szenarien utopische Gedankengänge anrege. Etwa die Überlegung, wie sich unsere Verkehrsinfrastruktur wandeln müsste, damit Tiere, genauso wie Menschen sich gefahrlos darin bewegen könnten um eine gute Lebensqualität zu haben. Meine Bilder bringen also durchaus schon eine mögliche Zukunft zum Vorschein, ohne diese zu definieren.

Schweine, Kühe, Hühner und Co. sind faszinierende Tiere. Was waren besondere Erlebnisse während Ihrer Arbeit, die Sie nie wieder vergessen werden?

Als ich das erste Mal auf dem Lebenshof Hof Butenland war und meine Staffelei auf der Weide aufgebaut hatte, kamen Anna und Emma – zwei der dort lebenden Kühe – auf mich zu und begutachteten neugierig meine Malutensilien, so dass ich gar nicht erst beginnen konnte zu malen. Sie haben alles abgeschleckt und beschnuppert. Ich musste mir deshalb ein kleines „Malgehege“ abstecken, um in Ruhe arbeiten zu können. Ein weiteres eindringliches Erlebnis hatte ich im Mai 2018 auf dem Lebenshof Land der Tiere. Es war sehr heiß und ich malte gerade die im Schatten sitzenden Puten. Dabei habe ich zum ersten Mal bewusst wahrgenommen, wie ein Vogel atmet. Lebenshöfe sind ja praktisch schon eine Art konkrete Utopie eines neuen Mensch-Tier-Verhältnisses. Es ist immer wieder eine wunderbare Erfahrung, den Tieren dort zu begegnen.

Glauben Sie, dass die gesamte Erdbevölkerung irgendwann ohne tierische Produkte auskommen wird?

Ich hoffe natürlich, dass jegliche Tierhaltung eines Tages abgeschafft sein wird und die Beziehungen zwischen Menschen und anderen Tieren sich beiderseitig auf freiwilliger Basis gestalten. Den Weg dorthin muss man sich wahrscheinlich eher als langsamen Prozess vorstellen, bei dem sukzessive immer weniger Tiere gehalten werden. Wir müssten dann, wie oben schon angerissen, darüber nachdenken, wie wir die Dörfer, Städte, Landwirtschaft und Mobilität so gestalten, dass sie für die dann noch lebenden „Haus- und Nutztiere“ die Möglichkeit bieten, sich, wenn sie mögen, wieder von den Menschen zu emanzipieren, also so zu sagen zu „dedomestizieren“. Ich könnte mir also schon vorstellen, dass dann Schweine, Hühner und Kühe frei in den dann dafür geeigneten urbanen und ländlichen Räumen herumlaufen.

Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: „Wenn ich gerade nicht male, dann….“

… engagiere ich mich in der Ortsgruppe der Tierbefreier*innen Leipzig, in der Rhythms of Resistance Aktions Samba Band, mache Büro- und organisatorischen Kram wie Ausstellungsplanung, Pflegen meiner Webseite, Versenden von Bestellungen, helfe meiner Freundin in ihrem bio-vegan bewirtschafteten Kleingarten und beschäftige mich mit unterschiedlichen Bereichen von Gesellschaftskritik.

Wo können sich Interessierte Ihre Werke live ansehen?

Aktuell und noch bis Ende Oktober 2019 sind einige meiner Malereien in der Gruppenausstellung „Der Raum zwischen uns / über die Natur die wir teilen" im Nietzsche-Dokumentationszentrum Naumburg zu sehen. Außerdem zeigt die Galerie KK in Essen vom 12. März bis zum 27. April 2019 in der Ausstellung „After Fair Show“ unter anderem auch einige Arbeiten von mir. Im Schaulager der Galerie sind auch noch weitere Malereien zu sehen. Ansonsten natürlich in meinem Atelier auf dem Leipziger Spinnereigelände.

Mehr Informationen zu Harmut Kiewert und seiner Arbeit finden sie hier: https://hartmutkiewert.de/  

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