Laying hen looking through a cage

Tierhaltung und antimikrobielle Resistenzen

Die unsichtbare Bedrohung der öffentlichen Gesundheit

22.7.2025

Die Resistenz gegen antimikrobielle Mittel (AMR) ist eine der größten Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit unserer Zeit. Die industrielle Massentierhaltung spielt dabei eine wichtige Rolle. Mehr als 70 % der Antibiotika werden in der Tierhaltung eingesetzt.1 Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), könnte die Antibiotikaresistenz bis 2050 jährlich 10 Millionen Todesfälle verantworten, wenn nichts unternommen wird.2 

Eine deutliche Verringerung des Einsatzes antimikrobieller Mittel in der Landwirtschaft ist dringend erforderlich. Dies wird nur möglich sein, wenn wir die Ursachen angehen, die eine Antibiotikabehandlung erforderlich machen - nämlich die schlechten Haltungsbedingungen der Tiere und die groß angelegte industrielle Landwirtschaft.

Landwirtschaftliche Betriebe müssen dringend den Einsatz antimikrobieller Mittel reduzieren

Nutztiere werden auf schnelles Wachstum und hohe Produktionserträge hin gezüchtet, was ihrer Gesundheit schadet.3-5 Zu den schlechten Bedingungen, unter denen Tiere in der industriellen Massentierhaltungen gehalten werden, gehören; Überbelegung, schlechte Luftqualität, mangelnder Zugang ins Freie und die Unmöglichkeit natürliche Verhaltensweisen auszuüben. Dies schwächt wiederum ihr Immunsystem. Infolgedessen werden sie anfälliger für Verletzungen und Infektionskrankheiten. Das fördert die Ausbreitung von Krankheiten unter den Tieren und vom Tier auf den Menschen.4,5

Eine geschwächte Gesundheit macht den Einsatz großer Mengen antimikrobieller Mittel notwendig.4-7 Sie werden nicht nur zur Vorbeugung und Behandlung von Infektionen eingesetzt, sondern auch zur Förderung des Wachstums.8-10 Durch bessere Haltungspraktiken und Lebensbedingungen, kann der Einsatz antimikrobieller Mittel verringert werden. Unteranderem sollten langsam wachsende Hühnerrassen verwendet werden, Auslauf für Schweine ermöglicht werden, Ferkeln erst in höherem Alter abgesetzt werden und die Haltung von Kälbern verbessert werden.11-14

Junges Kalb in einem Außenstall auf einem Milchviehbetrieb

One Health: Der Ansatz zur Bekämpfung von AMR

Die zunehmende Resistenz gegen antimikrobielle Mittel stellt eine erhebliche Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar. Dadurch können Resistenzgene zwischen Bakterien, Tieren, Menschen und der Umwelt übertragen werden.15,16 Der Einsatz antimikrobieller Mittel in der Tierhaltung hat beispielsweise negative Auswirkungen auf die Bodengesundheit und die Wasserqualität. Diese Stoffe wurden in hohen Konzentrationen in Gülle, Mist, mit Gülle gedüngtem Boden, Flüssen und Seen gefunden und machen diese Gewässer zu zeitweiligen Reservoirs für AMR.17 

Es reicht jedoch nicht aus, nur die Verwendung antimikrobieller Mittel bei Nutztieren einzuschränken. Es könnte das Wohlergehen der Tiere und den Lebensunterhalt der Landwirt:innen gefährden, wenn keine therapeutischen Optionen für kranke Tiere zur Verfügung stehen. Es ist dringend erforderlich, die Ursachen anzugehen, die die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere sowie die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Landwirtschaftssektors gefährden. Nach Angaben der Weltbank könnte die landwirtschaftliche Nutztierhaltung bis 2050 aufgrund von AMR um 11 % zurückgehen.18

Die Antibiotikaresistenz ist ein komplexes Problem, das einen Ansatz erfordert, der den Zusammenhang zwischen der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt anerkennt und Lösungen findet, die die Gesundheit aller verbessert. Der One-Health-Ansatz ist erforderlich, um die Hauptursachen für Infektionskrankheiten in der Tierhaltung anzugehen (d. h. schlechte Haltungsbedingungen, stressige Umgebungen und hohe Wachstumsraten), um den Einsatz antimikrobieller Mittel in diesem Sektor zu verringern.

Was wird zur Bekämpfung von AMR in der Landwirtschaft unternommen?

Da die Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen weiter zunimmt, wächst der politische Wille, mutige und konkrete Maßnahmen zur Verringerung des Einsatzes antimikrobieller Mittel in der Landwirtschaft zu ergreifen. Dieses Bestreben wurde in der Vergangenheit durch globale politische Bemühungen deutlich gemacht, darunter die politische Erklärung der UN-Generalversammlung von 2016 zu AMR und das Ministermanifest von Muscat aus dem Jahr 2022.

Dieser politische Wille wurde durch die Verabschiedung der zweiten offiziellen Erklärung zur Antibiotikaresistenz auf der UN-Generalversammlung im Jahr 2024 bekräftigt. Auf diese Erklärung müssen nun politische Entscheidungen und konkrete Maßnahmen folgen, um das Problem der Antibiotikaresistenz in der industriellen Massentierhaltung zu bewältigen. Diese Maßnahmen müssen die eigentlichen Ursachen des Problems angehen. Nämlich die schlechten Haltungsbedingungen von Nutztieren. Gleichzeitig sollten nachhaltige, tierfreundlichere landwirtschaftliche Praktiken gefördert werden.

Um dies zu erreichen, arbeitet VIER PFOTEN mit verschiedenen internationalen Interessengruppen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation und der Weltorganisation für Tiergesundheit zusammen. Der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft kann von politischen Entscheidungsträger:innen auf der ganzen Welt nicht länger ignoriert werden. Es muss gehandelt werden, oder wir riskieren, bis 2050 die prognostizierten 39 Millionen Menschenleben durch AMR zu verlieren.2

VIER PFOTEN fordert politische Entscheidungsträger:innen dazu auf:

  • Verringerung der Anzahl der gehaltenen Tiere, um das Wohlergehen und die Gesundheit der Tiere zu verbessern und den Bedarf an antimikrobiellen Mitteln in der Landwirtschaft zu senken.
  • Verbesserung des Tierwohls in landwirtschaftlichen Betrieben. Es sollte sichergestellt werden, dass die Tiere bei guter Gesundheit sind und ein starkes Immunsystem haben, so dass sie weniger anfällig für Infektionen und Verletzungen sind, die eine antimikrobielle Behandlung erfordern.
  • Förderung der genetischen Vielfalt und widerstandsfähigerer, lokal angepasster Rassen in der Landwirtschaft. Diese sind im Vergleich zu Hochleistungsrassen weniger auf antimikrobielle Mittel angewiesen.
Schweine im Inneren eines überfüllten Transportwagens

Tierschutz in der Landwirtschaft für eine bessere öffentliche Gesundheit


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Quellenverweis

1Global trends in antimicrobial use in food-producing animals: 2020 to 2030. PLOS Global Public Health. [accessed 2025 June 26].  https://doi.org/10.1371/journal.pgph.0001305
2Global burden of bacterial antimicrobial resistance 1990–2021: a systematic analysis with forecasts to 2050. [accessed 2025 June 26]. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(24)01867-1  
3SELECTIVE BREEDING The farmed animal health and welfare problems arising from selective breeding. [accessed 2025 June 26]. https://www.ciwf.org.uk/media/7452117/selective-breeding-report-september-2022.pdf
4What’s Wrong With Factory Farming? Public Health Ethics. 2015;8(3):246–254. doi:10.1093/phe/phu001 
5General Principles for the welfare of animals in production systems: The underlying science and its application. The Veterinary Journal. 2013;198(1):19–27. doi:10.1016/j.tvjl.2013.06.028 
6A Systematic Review on the Link between Animal Welfare and Antimicrobial Use in Captive Animals. Animals. 2022;12(8):1025. doi:10.3390/ani12081025 
7Linking Animal Welfare and Antibiotic Use in Pig Farming—A Review. Animals. 2022;12(2):216. doi:10.3390/ani12020216 
8Use of antibiotics in broiler production: Global impacts and alternatives. Animal Nutrition. 2018;4(2):170–178. doi:10.1016/j.aninu.2018.03.002 
9Factors associated with high antimicrobial use in young calves on Dutch dairy farms: A case-control study. Journal of Dairy Science. 2018;101(10):9259–9265. doi:10.3168/jds.2017-14252 
10Influence of early use of antimicrobial on the health and performance of Holstein calves in the first month of life. Pesquisa Veterinária Brasileira. 2020;40:17–28. doi:10.1590/1678-5150-PVB-5722 
11Adopting slower-growing breeds of chicken would reduce animal suffering significantly. [accessed 2025 June 26]. https://ourworldindata.org/adopting-slower-growing-breeds-of-chicken-would-reduce-animal-suffering-significantly 
12Broiler flocks in production systems with slower-growing breeds and reduced stocking density receive fewer antibiotic treatments and have lower mortality. Poultry Science. 2024;103(11):104197. https://doi.org/10.1016/j.psj.2024.104197 
13Antibiotic and medical zinc oxide usage in Danish conventional and welfare-label pig herds in 2016–Preventive Veterinary Medicine. 2021;189:105283. doi:10.1016/j.prevetmed.2021.105283  
14Effects of the novel concept ‘outdoor veal calf’ on antimicrobial use, mortality and weight gain in Switzerland. Preventive Veterinary Medicine. 2020;176:104907. doi:10.1016/j.prevetmed.2020.104907 
15Genetic Diversity and Virulence Profiling of Multi-Drug Resistant Escherichia coli of Human, Animal, and Environmental Origins. Antibiotics. 2022;11(8):1061. doi:10.3390/antibiotics11081061 
16WHO’s List of Medically Important Antimicrobials: a risk management tool for mitigating antimicrobial resistance due to non-human use. [accessed 2025 June 26]. https://cdn.who.int/media/docs/default-source/gcp/who-mia-list-2024-lv.pdf
17Bracing for Superbugs: Strengthening environmental action in the One Health response to antimicrobial resistance. United Nations Environment Programme; 2023. [accessed 2025 June 26]. https://www.unep.org/resources/superbugs/environmental-action 
18World Bank. Drug-resistant infections: a threat to our economic future. [accessed 2025 June 26]. https://documents.worldbank.org/en/publication/documents-reports/documentdetail/en/323311493396993758 

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