Hamburg, 12. Oktober 2022 – Das Bundeskabinett hat heute den Gesetzesentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Einführung einer verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung beschlossen. Dazu kommentiert Rüdiger Jürgensen, Mitglied der Geschäftsleitung VIER PFOTEN Deutschland. 

„Der vorgelegte Gesetzentwurf für eine verpflichtende Haltungskennzeichnung scheitert an seiner zentralen Aufgabe, transparent über die Haltung der Tiere zu informieren. Die vorgeschlagenen Bezeichnungen ,Stall‘, ,Stall+Platz‘ und ,Frischluftstall‘ geben kein aussagekräftiges und unterscheidbares Bild über das Haltungssystem innerhalb des Stalls. VIER PFOTEN fordert deshalb weiter, dass die Bezeichnungen klar das Haltungssystem beschreiben müssen. Aus einer repräsentativen Umfrage von VIER PFOTEN geht hervor, dass 60 Prozent der Befragten fälschlicherweise glauben, in der Haltungsstufe ‚Stall+Platz‘ hätten die Tiere ausreichend Platz – dabei handelt es sich lediglich um 20 Prozent mehr Platz als beim vorgeschriebenen Standard, was lediglich einer Fläche von rund zwei Blatt Din A4 entspricht. 

Was nutzt ein Kennzeichen, das nicht verständlich kennzeichnet, sondern falsche Erwartungen weckt und in die Irre führt? Solange die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht klar darüber informiert werden, wie eine Haltungsform konkret in der Realität aussieht, wird auch kein Anreiz gesetzt, sich beim Einkauf für eine mutmaßlich teurere Stufe mit höheren Haltungsstandards zu entscheiden.   

Darüber hinaus ist bisher nur geplant, Frischfleisch vom Schwein zu kennzeichnen – das sind in etwa nur 30 Prozent des Angebots von Schweinefleisch am Markt: Bei der Wurst im Regal, dem Nackensteak im Restaurant oder dem Schweineschnitzel im Krankenhaus wird man weiterhin im Unklaren sein, unter welchen Haltungsbedingungen das Fleisch produziert wurde, denn verarbeitete Produkte, die Gastronomie und die Außer-Haus-Verpflegung bleiben zunächst unberücksichtigt. Hier will die Bundesregierung schrittweise vorangehen. Damit es dabei nicht bei einer hohlen Absichtserklärung bleibt, ist es unabdingbar, dass dieses Vorhaben ganz konkret im Gesetzentwurf festgehalten wird.   

Auch der Forderung nach einer detaillierteren Erklärung über die verschiedenen Haltungsformen kommt das Bundesministerium nicht nach. Es soll lediglich eine Informationsmöglichkeit über einen QR-Code auf dem Produkt geben. Laut VIER PFOTEN-Umfrage wünschen sich aber 54 Prozent der Befragten, über Aufsteller im Laden über die Tierhaltung informiert zu werden.  

Positiv ist, dass das Platzangebot im Stall bei den Haltungsformen ‚Frischluft‘ und ‚Auslauf‘ im Gegensatz zum Referentenentwurf wenigstens etwas vergrößert wurde. Bei ‚Auslauf‘ gibt es nun zudem Anforderungen an die Bodenbeschaffenheit. Vollspaltenböden sind damit in dieser Haltungsform ausgeschlossen. Eine Anforderung, die wir jedoch für alle Schweine fordern. Kein Schwein sollte auf harten Spaltenböden über seinen eigenen Exkrementen stehen müssen! 

Wir setzen jetzt aufs weitere parlamentarische Verfahren im Bundestag und erwarten von den Abgeordneten, dass sie entsprechende Anträge einbringen, um das Gesetz zu verbessern. Nur, wenn die Menschen wirklich transparent über die Haltung der Tiere informiert werden, können sie sich auch bewusst gegen Produkte aus schlechter Haltung entscheiden und so für mehr Tierwohl im Stall sorgen. Wenn wir einen wirklichen Wandel beim Konsum tierischer Produkte sehen wollen, ist verständliche Kennzeichnung ein wichtiger Baustein. Durch die Einführung der jetzt vorgeschlagenen intransparenten Haltungskennzeichnung wird jedoch weder den Verbraucherinnen und Verbrauchern noch den Tieren geholfen, sagt Rüdiger Jürgensen, Mitglied der Geschäftsleitung VIER PFOTEN Deutschland.“ 

Um bei Verbraucher:innen abzufragen, ob mit der derzeitig geplanten Tierhaltungskennzeichnung Transparenz und Aufklärung gewährleistet ist und welche Informationen zur Tierhaltung in welcher Form von Konsument:innen gewünscht werden, hat VIER PFOTEN eine repräsentative Studie hinsichtlich Geschlecht, Bildung, Einkommen und Bundesländer in Auftrag gegeben. Die Teilnehmer:innen kaufen zumindest ab und zu Schweinefleisch oder -wurst ein. VIER PFOTEN hat diese Befragung im September 2022 unter 1.005 Bürger:innen durchführen lassen.