Welt-Zoonose-Tag: „Lektion aus der Corona-Pandemie nicht gelernt“

Steigende Gefahr durch Vogelgrippeviren: Hohe Geflügelzahlen in industriellen Betrieben beschleunigen Verbreitung und Entwicklung 

5.7.2023

Hamburg, 05. Juli 2023 – Die Regierungen weltweit haben keine Lektion aus der Corona-Pandemie gezogen – so lautet das Fazit der globalen Tierschutzorganisation VIER PFOTEN anlässlich des morgigen Welt-Zoonose-Tags. Die Gesundheit von Mensch, Umwelt und Tier muss gebündelt angegangen werden, um eine weitere Pandemie zu verhindern. Die steigende Anzahl von Ausbrüchen der Geflügelpest ist ein aktuelles Beispiel dafür. Die hochpathogene Geflügelpest hat eine noch nie dagewesene geografische Ausbreitung über die Kontinente hinweg sowie Rekordausbrüche erreicht. In den Seuchenjahren 2021/2022 mussten allein in Europa 50 Millionen Tiere in der Geflügelindustrie notgetötet werden.

Bei Wildvögeln verursacht die Vogelgrippe alarmierende Sterblichkeitsraten und gefährdet ohnehin bereits bedrohte Arten. Das Virus tötete Hunderttausende von Wildvögeln, darunter zehn Prozent der Humboldt-Pinguine in Chile allein in diesem Jahr und 50.000 peruanische Pelikane und Tölpel im Jahr 2022 – derzeit dezimiert es die Brutkolonien.

Die Zahlen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zeigen für 2022 einen Anstieg der Infektionen bei Säugetieren: So wurden neben anderen Arten auch 52.000 Nerze auf Pelzfarmen und 8.117 Seelöwen an der chilenischen Küste getötet. Die Ausbrüche gehen mit einem erhöhten Risiko für auf Menschen übertragbare Mutationen einher. Hinzu kommen Verluste von Tierleben und negative wirtschaftliche Auswirkungen. Dennoch gibt es keine Strategien zur Ursachenbekämpfung.

Die Zerstörung der Ökosysteme, der Verlust der biologischen Vielfalt, die Ausbeutung von Wildtieren und die intensive Landwirtschaft beschleunigen die Entwicklung und Ausbreitung neu auftretender Infektionskrankheiten, von denen 75 Prozent Zoonosen sind. Angesichts dessen regt der One-Health-Ansatz die transdisziplinäre Zusammenarbeit und öffentliche Beteiligung an, um umfassende Strategien zur Prävention von Ausbrüchen zu entwickeln. Diese fördern und optimieren die Balance der Gesundheit von Menschen, Tieren und der Umwelt sowie das Wohlbefinden.

Die derzeitigen Strategien zur Bekämpfung der Vogelgrippe spiegeln diesen Ansatz jedoch nicht wider. Die Reaktionen begrenzen sich derzeit auf die Tötung von infiziertem und gesundem Geflügel im Umkreis des Ausbruchs. Dass sich die Politik auf Biosicherheit und die Entwicklung von Impfstoffen konzentriert, ist nachweislich nicht ausreichend. Ausbrüche der Vogelgrippe treten häufig in Betrieben auf, in denen die Tiere keinen Zugang ins Freie haben. Betroffen sind auch Geflügelbetriebe mit hoher Biosicherheit. Allgemein bekämpfen die Strategien nicht die wirklichen Ursachen der Zoonose-Infektionen.

„Die industrielle Landwirtschaft, die sich auf Umweltzerstörung, Verlust der Artenvielfalt und systematisches Tierleid stützt, ist eine der Hauptursachen für Zoonose-Risiken. Dennoch weigern sich die Regierungen, sie als solche zu behandeln. Das ist ein gefährliches Versäumnis, und leider steht die öffentliche Gesundheit auf dem Spiel.“

Wendla Beyer, politische Koordinatorin bei VIER PFOTEN

VIER PFOTEN fordert: Umdenken in der Landwirtschaft, weniger Tiere in der Zucht und Umstrukturierung der Produktionssysteme

Wir können nicht weiterhin so viel Geflügel in Massentierhaltungen halten, da dies die Verbreitung und die Entwicklung der Geflügelpest verschlimmert. Um die Virusübertragung zwischen den Anlagen zu begrenzen, müssen wir außerdem die Dichte der industriellen Betriebe verringern. Die Dezentralisierung der Produktion, einschließlich der Schlachtung, ist ein weiterer Schlüssel zur Begrenzung der Krankheitsausbreitung und der Tierschutzprobleme. Schließlich sollte es keine Geflügelfarmen in der Nähe von natürlichen Rastgebieten von Zugvögeln in Feuchtgebieten geben, wo das Risiko eines Kontakts zwischen den Arten und einer Virusübertragung besonders hoch ist.

Sofortige Lösungen: Wintergärten und das Pflanzen von Bäumen

Die Ausstattung der Betriebe mit Wintergärten ermöglicht dem Geflügel bei Ausbrüchen einen sicheren Zugang ins Freie, selbst wenn die Stallpflicht gilt. Dies ist eine einfache Lösung, die den Tierschutz und die ökologische Freilandhaltung unterstützt. Die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern in den Außenbereichen von Bauernhöfen hält Wasservögel auf natürliche Weise fern und minimiert den Kontakt und die Krankheitsübertragung zwischen Haus- und Wildvögeln.

Ende der Pelztierzucht

Auf Pelzfarmen mischen sich Viren, die von Mensch zu Mensch übertragbar werden könnten. Impfstoffe, Biosicherheit und routinemäßige Überwachung der Farmen reichen nicht aus. Diese hochriskante Praxis muss verboten werden.

„Wir müssen die Produktionssysteme neu überdenken. Der Übergang von industriellen Tierhaltungsanlagen zu kleinen Farmen, in denen die Tiere unter artgemäßen Bedingungen gehalten werden, wird die Übertragung, die Tötung, das Leiden der Tiere, die finanziellen Verluste und die Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier eingrenzen", sagt Beyer.

Hintergrundinformation

Der Welt-Zoonose-Tag erinnert an die erste gegen eine Zoonose – in diesem Fall Tollwut – verabreichte Impfung. Er bietet eine Gelegenheit, das Bewusstsein der Menschen für Krankheiten zu schärfen, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können.

Weitere Informationen über den Einsatz von VIER PFOTEN für Wildtiere finden Sie hier

Susanne von Pölnitz

Pressesprecherin Wildtiere

presse-d@vier-pfoten.org

+49 152 020 170 68

VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
Lübecker Straße 128, 22087 Hamburg

VIER PFOTEN ist die weltweite Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Leiden aufdeckt, Tiere in Not rettet und sie schützt. Gegründet 1988 in Wien von Heli Dungler und Freunden, setzt sich die Organisation für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Empathie und Verständnis begegnen. Die nachhaltigen Kampagnen und Projekte von VIER PFOTEN konzentrieren sich auf Haustiere wie streunende Hunde und Katzen, Nutztiere und Wildtiere - wie Bären, Großkatzen und Orang-Utans - in unangemessener Haltung sowie in Katastrophen- und Konfliktgebieten. Mit Büros in Australien, Österreich, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Kosovo, den Niederlanden, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, Großbritannien, den USA und Vietnam sowie Auffangstationen für gerettete Tiere in elf Ländern bietet VIER PFOTEN schnelle Hilfe und langfristige Lösungen. 

www.vier-pfoten.de

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