Bundesrat-Entscheidung zu Kälbertransporten

VIER PFOTEN begrüßt Empfehlung des Agrarausschusses 

7.7.2022

Hamburg, 07. Juli 2022 VIER PFOTEN unterstützt die Empfehlung des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz an die Mitglieder des Bundesrats, dem Antrag Niedersachsens in der morgigen Sitzung nicht zuzustimmen. Das Bundesland fordert in seinem Antrag, die Übergangsfrist für ein höheres Mindesttransportalter von Kälbern von einem auf drei Jahre zu verlängern. 2021 hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium die Änderung der nationalen Tierschutztransportverordnung verkündet – demnach dürfen Kälber bei innerdeutschen Transporten ab Januar 2023 erst ab einem Alter von 28 Tagen transportiert werden, statt wie bisher mit gerade einmal 14 Tagen. Um die Öffentlichkeit auf das Leid der Kälber während der Lebendtiertransporte aufmerksam zu machen, startet VIER PFOTEN eine Info-Tour durch Deutschland.

„Es darf keine Fristverlängerung für das Heraufsetzen des Mindesttransportalters geben. Ohnehin ist aus Tierschutzsicht selbst ein Transport ab 28 Tagen Mindestalter hochproblematisch. Das Immunsystem dieser extrem jungen Tiere ist noch längst nicht ausgereift und sie sind noch bis zu zwölf Wochen auf Milchnahrung angewiesen. Daher fordern wir ein generelles Transportverbot von nicht entwöhnten Tieren: Kälber sollten vor Abschluss des dritten Lebensmonats gar nicht transportiert werden, sie leiden ebenso wie beispielsweise Ziegenkitze oder Lämmer, die noch auf Milch angewiesen sind. In der Regel erhalten Kälber prophylaktisch Antibiotika, immer wieder sterben Tiere während oder Tage nach den Transporten. Wichtig wäre es, dass die neue Regelung nicht nur diejenigen Kälber betrifft, die innerhalb Deutschlands transportiert werden, da dies zu vermehrten Auslandstransporten führen könnte. Sicherer wäre eine Formulierung, die alle Kälbertransporte umfasst. Wir fordern deshalb auf nationaler und auf EU-Ebene ein Komplettverbot von Transporten nicht entwöhnter Tiere, die noch auf Milchnahrung angewiesen sind.“

Ina-Müller-Arnke, Expertin für Tiere in der Landwirtschaft bei VIER PFOTEN

Kälber-Info-Tour durch Deutschland

VIER PFOTEN stimmt auch mit dem Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz überein, dass die intensive Milchproduktion mit Hochleistungsrassen dafür verantwortlich ist, dass wir in Deutschland eine Überproduktion von Kälbern haben. Diese werden dann zur Mast in andere EU-Mitgliedstaaten transportiert. Um auf diese Zusammenhänge hinzuweisen, startet VIER PFOTEN am 09. Juli 2022 in Frankfurt eine Info-Tour durch Deutschland: Bis September macht die globale Tierschutzstiftung unter anderem in München, Leipzig und Berlin halt. Dabei klären Aktivist:innen von VIER PFOTEN mit einer drei Meter hohen Milchpackung in Fußgängerzonen über den problematischen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Kälbertransporten auf.

Hintergrund zu Kälbertransporten

Zahlen eines aktuellen EU-Berichts belegen, dass jährlich über 600.000 Saugkälber von Deutschland aus exportiert werden. 11,8 Prozent dieser Kälber werden länger als acht Stunden und 24,4 Prozent davon sogar länger als 19 Stunden transportiert. Eine Versorgung mit Milch ist in den Transportfahrzeugen nicht möglich. Bereits vor einem weiteren Transport werden die Kälber häufig über Sammelstellen gebracht, in denen sie häufig nicht mit Milch gefüttert werden können. Kälber leiden Stress, Hunger und Durst – oftmals bis zu 30 Stunden.

Saugkälber trinken natürlicherweise sechs bis acht Mal am Tag in kleinen Portionen am Euter der Mutter. In der Standardhaltung in deutschen Milchrinderbetrieben werden sie nur zweimal am Tag mit wenig Milch getränkt. Dadurch können sie keine körpereigenen Reserven aufbauen, bevor sie auf die Transporte verfrachtet werden. Hinzu kommt, dass Kälber sich bis zu einem Alter von mindestens acht Wochen in einer immunologischen Lücke befinden, ihr Immunsystem ist nicht ausgereift. Der Transport geschieht meist mit 200 Kälbern pro Fahrzeug – auf mehreren Ebenen übereinander. Eine individuelle Versorgung von Tieren, zum Beispiel auch kranker oder geschwächter Tiere, ist nicht möglich.  
Aus Sicht von VIER PFOTEN ist ein ganzheitlicher Ansatz unabdingbar, um die Problematik der Tiertransporte und insbesondere der Transporte nicht entwöhnter Jungtiere zu lösen. Dazu gehört, dass die Anzahl der gehaltenen und transportierten Tiere drastisch reduziert werden muss. Aber auch die muttergebundene Aufzucht von Kälbern darf ab sofort keine Nische mehr sein, sondern muss Standard werden: Kälber sollten mindestens drei Monate bei ihrer Mutter bleiben dürfen. Diese Haltungsform hat zahlreiche Vorteile: Der Antibiotika-Einsatz reduziert sich auf ein absolutes Minimum, da die Tiere über Wochen umgebungsspezifisch abgestimmte Immunglobuline durch die Muttermilch erhalten und nicht mehr im verletzlichen Alter von 14 Tagen mit fremden Kälbern gemischt werden, wie dies derzeit in den Sammelstellen üblich ist. Es kann sich eine Mutter-Kind-Bindung aufbauen, von der Mutter und Kalb profitieren. Das standardmäßige Trennen von Kalb und Kuh direkt nach der Geburt ist nicht verhaltensgerecht und widerspricht § 2 Tierschutzgesetz.

Weitere Informationen zum Thema Kälber finden Sie in unserem Positionspapier.

Weitere Informationen sowie Termine zur VIER PFOTEN Kälbertour finden Sie hier.

Oliver Windhorst

Pressesprecher für Tiere in der Landwirtschaft

presse-d@vier-pfoten.org

+49 151 183 515 30

VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
Lübecker Straße 128, 22087 Hamburg

VIER PFOTEN ist die weltweite Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Leiden aufdeckt, Tiere in Not rettet und sie schützt. Gegründet 1988 in Wien von Heli Dungler und Freunden, setzt sich die Organisation für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Empathie und Verständnis begegnen. Die nachhaltigen Kampagnen und Projekte von VIER PFOTEN konzentrieren sich auf Haustiere wie streunende Hunde und Katzen, Nutztiere und Wildtiere - wie Bären, Großkatzen und Orang-Utans - in unangemessener Haltung sowie in Katastrophen- und Konfliktgebieten. Mit Büros in Australien, Österreich, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Kosovo, den Niederlanden, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, Großbritannien, den USA und Vietnam sowie Auffangstationen für gerettete Tiere in elf Ländern bietet VIER PFOTEN schnelle Hilfe und langfristige Lösungen. 

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