Töten ist nie die Lösung

VIER PFOTEN startet Streunerhilfe im Kosovo

15.3.2024

Streunende Hunde und Katzen sind im Kosovo allgegenwärtig, in den Städten ebenso wie auf dem Land. Hungrig, krank und verletzt schlagen sich die Tiere auf der Straße durch. Immer wieder kommt es zu Konflikten mit Menschen.

Um die Situation der Streuner zu analysieren und den Tieren zu helfen, war VIER PFOTEN im Oktober 2023 vor Ort. Ein sechsköpfiges Team aus Tierärztinnen, Veterinärtechnikerinnen und Hundefängern besuchte die beiden Berggemeinden Decan und Junik, in denen geschätzt 400 bis 450 Hunde auf der Straße leben. Eine tierärztliche Versorgung gibt es dort nicht.

Das Team von VIER PFOTEN kooperierte bei dem Einsatz mit der Tierklinik Pro Vet Gjakove, die von der Stiftung StrayCoCo unterstützt wird. Gemeinsam mit dem Team von Dr. Blendi Bejdoni aus der Klinik wurden in nur zehn Arbeitstagen 229 Hunde und 24 Katzen eingefangen, geimpft, kastriert und bei Bedarf medizinisch behandelt.

Damit wurden rund 60 Prozent der Streunerhunde in den beiden Gemeinden kastriert – ein entscheidender Schritt für die Tiergesundheit und um Nachwuchs zu verhindern, der auf der Straße leiden und sterben würde.

»Wir waren sehr überrascht, wie groß die Streunerhunde im Kosovo sind. Sie wiegen oft mehr als 35 Kilo. In Bulgarien bringen sie nur 15 bis 20 Kilo auf die Waage. Wenn man diese großen Hunde auf der Straße sieht, wirken sie zunächst beängstigend. Aber die meisten sind sehr lieb und freundlich. Deshalb konnten die Tierfänger viele von ihnen leicht einfangen.«

Dr. Nadezhda Mecheva, Tierärztin bei der Streunerhilfe Bulgarien von VIER PFOTEN

Zwei Hunde auf einer Straße zu einer Mülldeponie im Kosovo

Kosovo: Die Zahl der Streuner wächst und wächst. Schon seit Langem sind die Gegenmaßnahmen der Regierung inkonsequent. Einen 2022 eingebrachten Gesetzesvorschlag zur Tötung der Tiere konnte VIER PFOTEN zum Glück verhindern.

Eine VIER PFOTEN Mitarbeiterin trägt einen ausgewachsenen Hund zu einem Kleintransporter. Hinter ihr folgt eine zweite Frau mit einem Hund, einem Husky.

Sissys Schicksal

Trotz der hohen Zahl der behandelten Tiere ist es immer auch das einzelne Schicksal, das zählt und tief bewegt. Zwei Frauen brachten beispielsweise eine zwei bis drei Monate alte Hündin, die sie auf der Straße gefunden hatten. 

Die Kleine konnte kaum laufen, hatte ein geschwollenes Hinterbein und starke Schmerzen. Die Röntgenaufnahmen in der Klinik zeigten eine sehr schwere Fraktur: Sissy, wie der Welpe genannt wurde, litt an einem Bruch des Oberschenkelknochens kurz oberhalb des Knies. 

„Wir wissen nicht, ob Sissy Opfer eines Unfalls war“, sagt Dr. Nadezhda Mecheva von VIER PFOTEN. „Sicher war jedoch, dass sie große Schmerzen hatte und sofort Hilfe brauchte.“ Das Leben auf der Straße ist für jeden Hund und jede Katze hart. Wenn ein Welpe von einem Auto angefahren wird, sind seine Überlebenschancen gleich Null. Sissy hatte Glück: Die Operation verlief gut. Der Bruch wird relativ schnell heilen, denn ihre Knochen sind noch im Wachstum. Dr. Mecheva ist überzeugt, dass Sissy ein glückliches Leben auf vier Beinen führen wird – in einem liebevollen Zuhause, dass das Team von Pro Vet Gjakove gerade für sie sucht.

Tötung abgewendet

Um die steigende Zahl der streunenden Hunde im Kosovo zu bekämpfen, hatte die Regierung 2022 eine Verordnung vorgeschlagen, die vorsah, eingefangene Streunerhunde nach einem 14-tägigen Aufenthalt im Tierheim zu töten. Tausende gesunde, nicht aggressive Hunde hätten sinnlos ihr Leben verloren.

Um das zu verhindern, wurde VIER PFOTEN sofort aktiv. Durch Informationen zum humanen Management von Hundepopulationen und Veranstaltungen mit Entscheidungsträgern konnte VIER PFOTEN den Verantwortlichen vermitteln, dass Tötungsaktionen viel Leid bringen und immer wieder erfolglos sind.

Daraufhin wurde die Gesetzesinitiative 2023 gestrichen! Das war entscheidend für die darauffolgende Hilfe von VIER PFOTEN, denn mit einem Land, das Streuner tötet, wäre die Zusammenarbeit auf dieser Ebene sinnlos.

Zwei Chirurginnen operieren einen Hund

Die Tierärztinnen Dr. Margarita Chankova (li.) und Dr. Nadezhda Mechevavon VIER PFOTEN kastrierenim Kosovo einen Streunerhund, damit nicht noch mehr Tiere auf der Straße leiden und sterben.

Röntgenaufnahme eines Hundes
Ein schwerer Bruch am rechten Hinterbein hätte Welpe Sissy fast das Leben gekostet. Unter der Leitung von Dr. Blendi Bejdoni, der auf orthopädische Chirurgie spezialisiert ist, wurde der Knochen mit Stiften fixiert.

Ein schwerer Bruch am rechten Hinterbein hätte Welpe Sissy fast das Leben gekostet. Unter der Leitung vonDr. Blendi Bejdoni, der auf orthopädische Chirurgie spezialisiert ist, wurde der Knochen mit Stiften fixiert.

Tötung abgewendet

Um die steigende Zahl der streunenden Hunde im Kosovo zu bekämpfen, hatte die Regierung 2022 eine Verordnung vorgeschlagen, die vorsah, eingefangene Streunerhunde nach einem 14-tägigen Aufenthalt im Tierheim zu töten. Tausende gesunde, nicht aggressive Hunde hätten sinnlos ihr Leben verloren.

Um das zu verhindern, wurde VIER PFOTEN sofort aktiv. Durch Informationen zum humanen Management von Hundepopulationen und Veranstaltungen mit Entscheidungsträgern konnte VIER PFOTEN den Verantwortlichen vermitteln, dass Tötungsaktionen viel Leid bringen und immer wieder erfolglos sind.

Daraufhin wurde die Gesetzesinitiative 2023 gestrichen! Das war entscheidend für die darauffolgende Hilfe von VIER PFOTEN, denn mit einem Land, das Streuner tötet, wäre die Zusammenarbeit auf dieser Ebene sinnlos.

Spirras Schicksal

Während des Einsatzes traf das Team von VIER PFOTEN auch eine Frau, die sich um über 40 streunende Hunde kümmert. Eines ihrer neuesten „Rudelmitglieder“ war Spirra, die im letzten Sommer während der Überschwemmungen im Kosovo gerettet wurde. Die junge Hündin war damals so abgemagert, dass sie den Namen Spirra (Albanisch für „dünn“) bekam. „Als Spirra zu uns gebracht wurde, litt sie an Räude im Frühstadium“, sagt Dr. Mecheva und fährt fort: „Die Hautkrankheit tritt bei streunenden Welpen häufig auf. 

Unbehandelt verschlimmert sie sich innerhalb kurzer Zeit und kann sogar in wenigen Monate zum Tod führen. Mit den richtigen Medikamenten wird Spirra die Parasiten jetzt schnell wieder los.“ Bei dem Besuch in der Klinik wurde die Hündin auch gleich kastriert und geimpft. 

Viele der Streuner waren zutraulich und konnten leicht eingefangen werden. Geimpft, kastriert und falls nötig medizinisch versorgt kamen sie später wieder an ihren angestammten Platz.

Vieleder Streuner waren zutraulich und konnten leichteingefangen werden. Geimpft, kastriert und falls nötig medizinischversorgt kamen sie später wieder an ihren angestammten Platz.

Probleme im Land

Der Kosovo gehört zu den ärmsten Ländern Europas. Vor allem auf dem Land ist die tierärztliche Versorgung schlecht. Ein weiteres Problem ist der Müll. Auch in den besuchten Gemeinden gibt es sehr viel Müll, in dem die Straßentiere nach Futter suchen. Befragt zur Gesundheit der Streunerhunde vor Ort antwortet Dr. Mecheva:

„Grundsätzlich sind die meisten Hunde ganz gut genährt und relativ gesund. Ein großes Problem ist jedoch das hohe Niveau von Parvovirose. Die Virusinfektion ist hochansteckend und endet vor allem für ungeimpfte Welpen fast immer tödlich. Die Impfung gegen Parvovirose ist eine der ersten, die Welpen normalerweise erhalten. Aber wer kümmert sich darum in Gemeinden wie diesen, in denen es keine tierärztliche Versorgung gibt?“

Hilfe zur Selbsthilfe

Im Mittelpunkt des Einsatzes von VIER PFOTEN stand nicht nur die Behandlung, Impfung und Kastration möglichst vieler Streuner. Sehr wichtig war auch der Austausch von Erfahrungen und die Vermittlung von Expertenwissen. 

„Unser Team verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Arbeit mit Streunern und hat hohe Qualitätsstandards. Deshalb zeigen wir bei unseren Einsätzen den Verantwortlichen auch immer unseren Weg. Wir vermitteln nicht nur unsere chirurgischen Techniken, sondern auch unser Vorgehen vom schonungsvollen Einfangen, dem sicheren Transport, der Anästhesie sowie der stetigen Überwachung vor und nach der OP bis hin zur Wiederfreilassung der Tiere. So helfen wir den lokalen Tierärzten und Tierärztinnen und damit den Tieren auf der Straße“, sagt Dr. Mecheva.

Während des Einsatzes wurden in den bedürftigen Gemeinden 253 Streuner behandelt. Ebenso wichtig war der Austausch von Wissen und Erfahrungen mit dem Team der Tierklinik im nächstgrößeren Ort Gjakove.

Während des Einsatzes wurden in den bedürftigen Gemeinden253 Streuner behandelt. Ebenso wichtig war der Austauschvon Wissen und Erfahrungen mit dem Team der Tierklinik imnächstgrößeren Ort Gjakove.

Das VIER PFOTEN Streunerhilfeteam aus Bulgarien zusammen mit dem Team von Pro Vet Gjakove

Das VIER PFOTEN Streunerhilfeteam aus Bulgarien zusammenmit dem Team von Pro Vet Gjakove

Ausblick

Durch den Einsatz des Streunerhilfeteams in den Gemeinden Decan und Junik wurde schon viel erreicht. Aber die hohe Zahl der Straßentiere im Land erfordert weitere Unterstützung. Deshalb plant VIER PFOTEN gemeinsam mit den lokalen Behörden und Gemeinden die Umsetzung eines humanen und nachhaltigen Programms zur Kontrolle der Hundepopulation.

Sie wollen mehr Geschichten?

Spannende Geschichten wie die von Sissy und Spirra finden Sie in unserem Tierschutzmagazin. Wenn Sie es vier Mal im Jahr nach Hause bekommen wollen, können Sie uns hier unterstützen:

Jetzt Dauerspender werden

Jetzt Teilen!

Suche