Das Leid der Kälber

Eine erschütternde und traurige Jugend für die "Nebenprodukte" der Fleisch- und Milchindustrie

21.10.2020

Die meisten Kälber werden in den Milchrinderanlagen geboren und in der Regel direkt nach der Geburt von ihren Müttern getrennt. Sie werden nicht entsprechend ihren Bedürfnissen und ihrem natürlichen Verhalten gefüttert. Zusätzlich werden sie in sehr jungem Alter zu Kälber- oder anderen Mastsystemen in andere EU-Länder transportiert mit unbekannten Kälbern aus anderen Herden gemischt und innerhalb der EU oder sogar in Drittländern geschlachtet. All das, ohne jemals die Fürsorge ihrer Mutter zu erfahren. Ein großer Teil der weiblichen Kälber aus Milchrinderbetrieben werden aufgezogen, um ihr Leben in dem stressigen Zyklus fortzusetzen, den sie als Milchkuh in der industriellen Milchproduktion erleiden müssen. 

Trennungsschmerz und Zwangsernährung

Die „Aufgabe“ einer Milchkuh ist es, viel Milch zu produzieren. Aber sie gibt nur Milch, wenn sie ein Kalb zur Welt bringt. Die Kuh wird im Alter von 16-18 Monaten zum ersten Mal künstlich besamt und ist dann neun Monate lang trächtig. Kurz nach der Geburt ihres ersten Kalbes gibt die Kuh Milch, die für den (menschlichen) Verbrauch verkauft wird. Um so viel Milch wie möglich zu erwirtschaften, werden Kuh und Kalb innerhalb der ersten Stunden oder Tage nach der Geburt voneinander getrennt. Das Kalb erhält direkt nach der Geburt die sogenannte Kolostralmilch (Biestmilch), das ist die Milch, die die Kuh direkt nach der Geburt gibt und die wichtige Immunglobuline für das Kalb enthält.  Das ist in der Regel das einzige Mal, in dem diese Kälber Muttermilch erhalten, ab da werden sie in der Regel mit zugekauftem Milchersatz - einer Mischung aus Magermilchpulver und Wasser gefüttert. Die Kälber werden dazu direkt nach der Trennung von ihrer Mutter für die ersten Lebenswochen in Einzelboxen gehalten. 

Die Trennung von der Mutter macht das Kalb oft anfälliger für Krankheiten. In der Regel trinken Kälber 6-8 Mal pro Tag am Euter der Mutter. Durch die Trennung von der Mutterkuh muss das Kalb die Ersatzmilch aus einem Eimer trinken, was nur zwei Mal am Tag geschieht. Die Kälber trinken daher überstürzt und verzehren große Mengen auf einmal. Dies und die Stressereignisse, die ihre Immunreaktion verringern, führen bei vielen Kälbern zu lebensbedrohlichem Durchfall, was zu einer durchschnittlichen Sterblichkeitsrate der Kälber in Milchrinderbetrieben von 10% und mehr führt. 1 

Wenn Kuh und Kalb direkt nach der Geburt getrennt werden, wird eine Mutter-Kind-Bindung verhindert. Trotzdem suchen die Mutterkühe oft verzweifelt nach ihrem Kalb, das sie gerade auf die Welt gebracht haben. Wenn Kuh und Kalb für eine gewisse Zeit zusammenbleiben dürfen, aber das Kalb dennoch zu früh von der Mutter „entwöhnt“, d.h. abgesetzt wird, kann dies zu schwerwiegenden tierschutzrelevanten Reaktionen führen und die Kälber richtig krank machen. Aufgrund des allgemein fehlenden Mutter-Kind-Kontakts und der unzureichenden Befriedigung des starken Saugbedürfnisses der Kälber, kommt es häufig zu Verhaltensstörungen, wie z.B. Kreuz- und Nabelsaugen. Aufgrund des dem Kalb innewohnenden Saugbedürfnisses beginnt das Kalb dann, andere Strukturen im Stall und z.B. auch den Nabel eines anderen Kalbes zu besaugen. Dies ist für das besaugte Kalb äußerst schmerzhaft, da dies zu Entzündungen führen kann. Die Tiere, die keine Möglichkeit zum Saugen haben, können Anzeichen extremer psychischer Leiden zeigen, die zu körperlichen Beeinträchtigungen führen können, z.B. zu schwerem Gewichtsverlust (Abmagerung). 

Soziale Isolation

Mehr als 60% aller europäischen Milchkälber werden nicht nur fast unmittelbar nach der Geburt von der Mutter getrennt, sondern auch in den ersten acht Wochen einzeln untergebracht. 2 Dies geschieht angeblich, um die Kälber besser in Augenschein nehmen und mögliche Durchfälle oder Krankheiten besser erkennen zu können. Außerdem sollen so Verhaltensstörungen wie das sogenannte „Nabelsaugen“ unterbunden werden. Auch wird die Einzelhaltung der Kälber häufig aus arbeitswirtschaftlichen Gründen durchgeführt. Doch Tatsache ist, dass die Kälber ihr Dasein auf engstem Raum fristen müssen und ihnen keinerlei Möglichkeit gewährt wird, mit ihrer Mutter oder wenigstens mit anderen Kälbern Sozialkontakt zu pflegen. Das ist für die Kälber sehr schlimm, da es sich ja erstens um Tierbabies handelt, die auf das Gefühl des Herdenschutzes angewiesen sind, um sich wohlzufühlen und zweitens, da sie in allen ihren wesentlichen Verhaltensweisen so stark eingeschränkt werden, dass es zu Verhaltens- und Gesundheitsstörungen kommt. Selbst Studienzeigen, dass einzeln untergebrachte Kälber weniger festes Futter zu sich nehmen und langsamer wachsen als Kälber in Gruppenhaltung.3 

Ein frühes soziales Umfeld ist für die Verhaltensentwicklung absolut entscheidend und ermöglicht es den Kälbern, soziale Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten (Allo-Grooming, Bewegungs- und Spielverhalten), die die Entwicklung wesentlicher Fähigkeiten erleichtern und eine Grundlage für soziale Unterstützung bieten. 4 Kälber sollten daher in Gruppen oder zumindest paarweise und mit genügend Platz untergebracht werden. 

Magenschlauch bei Kälbern

Damit ein frisch geborenes Kalb den Weg zum Euter der Mutter findet, um die lebenswichtige Erstmilch (Kolostrum) aufzunehmen, braucht es manchmal ein wenig Geduld, da zum Beispiel einige Kälber noch von der Geburt geschwächt sind. Bei der industriellen Milchproduktion ist jedoch alles auf Effizienz getrimmt und die Tierbetreuer nehmen sich nicht die Zeit, die die individuelle Tierbetreuung für jedes Kalb hierfür in Anspruch nehmen würde. Je mehr Tiere ein Landwirt zu versorgen hat, desto weniger Zeit bleibt für ein einzelnes Tier. In einigen Ländern werden auf vielen Großbetrieben deshalb alle neu geborenen Kälber von den Tierhaltern selbst direkt innerhalb der ersten vier Stunden nach der Geburt "gedrencht", anstatt Kalb und Mutterkuh zu helfen, den Saugprozess auf natürliche Weise zuzulassen, so dass die Mutterkuh ihren Nachwuchs selbst säugen kann. Drenchen ist eine Zwangsfütterung, bei der ein Plastikschlauch durch das Maul des Kalbes in die Speiseröhre eingeführt wird, um es mit dem Kolostrum (der ersten Milch, die nach der Geburt im Euter der Mutter gebildet wird) zu versorgen, das für die lebenswichtige Immunität des Kalbes unerlässlich ist. Kolostrum enthält Immunglobuline, die das Kalb für ein gesundes Immunsystem benötigt.  

Das Drenchen erfordert viel Fachwissen und sollte ausschließlich Tierärzt*innen vorbehalten bleiben. In der industriellen Tierhaltung führen es dennoch viele Tierbetreuer*innen standardmäßig selbst durch, damit die Kolostralmilch innerhalb der ersten Lebensstunden in den Kälbermagen gelangt und die zahlreichen Kälbergeburten möglichst Zeit- und Kosten-effizient gestaltet werden können. Auf die Tiere wird dabei wenig Rücksicht genommen. Immer wieder gibt es Fälle, in denen das Kolostrum nicht in die Speiseröhre, sondern in die Luftröhre gelangt. Wenn der Schlauch herausgezogen wird, bevor er ganz leer ist, kann die Milch auch in die Luftröhre gelangen. Die Kälber bekommen dadurch oft eine Lungenentzündung oder sie können sogar ersticken. Das Abtropfen sollte daher nur vom Tierarzt und nur dann vorgenommen werden, wenn es eine lebensrettende Maßnahme ist, wenn das Kalb trotz ausreichender Zeit nicht am Euter der Mutter trinkt.  

Verstümmelung

Schmerzhafte Eingriffe werden an Kälbern ohne Betäubung durchgeführt: Enthornung, Schwanzkupieren, Brandzeichen/Ohrenmarkierung, Kastration... diese Eingriffe erzeugen extreme Schmerzen. So wird das Ausbrennen der Hornanlagen beispielsweise mit einem 600 Grad heißen Brenneisen durchgeführt, dass länger als eine Minute auf die empfindlichen Hornanlagen der jungen Kälber gepresst wird und eine Verbrennung dritten Grades erzeugt. Die Tiere werden, damit sie sich nicht wehren können, brutal an den Boden gedrückt. Vom Schmerz abgesehen, verändert das Ausbrennen der Hornanlagen die Gehirnfunktion und das Verhalten der Tiere nachhaltig. Während die körperlichen Schmerzen nach einigen Tagen oder Wochen aufhören, halten die Verhaltensänderungen ein Leben lang an.

Männliche Kälber sind nichts wert

Die männlichen Kälber der Milchrassen nehmen in ihrer Jugend nicht viel an Gewicht und Fleisch zu und sind daher auf dem Fleischmarkt kaum etwas wert. Kälber, die zu mager für die Mast sind oder krank werden, werden oft vernachlässigt. Es wird vermutet, dass manche Tierhalter*innen sie sogar sterben lassen, weil das Hinzuziehen eines Tierarztes oder einer Tierärztin zu teuer erscheint. Andere männliche Kälber werden an die Kalbfleischindustrie in Holland, Belgien oder Italien verkauft. Dort werden sie in dunklen, einstreufreien Ställen gehalten, um hellfarbiges Kalbfleisch zu produzieren. Raufutter existiert nicht oder wird in zu geringen Mengen angeboten. Kälber, die den langen Tiertransport nicht überleben und sich in einem schlechten Gesundheitszustand befinden, werden an den Landesgrenzen eingeschläfert.5 

Die genaue Zahl der toten männlichen Kälber wird erst ab dem siebten Lebenstag der Tiere statistisch erfasst. Von da an müssen die Tiere eine Ohrmarke tragen und in der offiziellen Datenbank registriert sein. Kälber, die innerhalb der ersten Lebenswoche sterben, erscheinen in keiner Statistik. Das macht es schwierig, den Verbleib der Kälber zu verfolgen. 

Transporte nicht abgesetzter Jungtiere

„Nicht abgesetzte“ Kälber, das sind solche, die noch auf Milchnahrung angewiesen sind, werden über weite Strecken in andere EU-Länder transportiert. Zum Beispiel werden jährlich zehntausende Kälber schon im zarten Alter von nur zwei Wochen von Deutschland aus ca. zwanzig Stunden bis nach Spanien transportiert, um dort gemästet zu werden. Der Transport ist für die Tiere die Hölle, da die Transportfahrzeuge nicht für das Tränken und Füttern der Jungtiere ausgestattet sind. Sie leiden extrem an Durst und Hunger, immer wieder sterben zahlreiche Kälber während des Transports oder auch Tage oder Wochen danach infolge der Strapazen oder weil sie sich Infektionen zugezogen haben. Die Tiere werden dann nach einigen Monaten der Mast zum Teil von Spanien aus per Schiff zur Schlachtung in Drittländer außerhalb der EU verfrachtet, um dort einen grausamen Tod zu sterben. Auch durch die geografische Lage exportiert Spanien zahlreiche Tiere pro Jahr in Drittländer. Die Abnehmerländer importieren jedes Jahr erneut lebende Tiere, um sie im eigenen Land zu schlachten. Die Art der Schlachtung geschieht in den meisten Drittstaaten, in die diese Tiere exportiert werden, ohne jegliche Betäubung und auf äußerst grausame Weise. So werden den Tieren die Augen ausgestochen, die Beine zusammengebunden und sie werden bei vollem Bewusstsein an einem Bein hochgezogen, um ihnen die Kehle durchzuschneiden. VIER PFOTEN fordert ein Verbot des Exports lebender Tiere in Drittstaaten außerhalb der EU. Mehr zu Tiertransporten erfahren Sie hier. 

VIER PFOTEN fordert...

...das Ende der grausamen Praktiken 

  • Kälber und ihre Mütter (oder säugende Kühe) sollten mindestens drei Monate lang zusammenbleiben, um ihnen die Möglichkeit zu geben, eine Mutter-Kind-Bindung aufzubauen, um Verhaltensstörungen und Trennungsangst zu vermeiden 
  • Transportverbot von nicht abgesetzten Kälbern, die noch auf Milchnahrung angewiesen sind  
  • Keine Einzelhaltung von Kälbern
  • Es sollten keine nicht kurativen Eingriffe zugelassen werden. Solange auf bestimmte Eingriffe nicht verzichtet werden kann, sollten diese nur unter Schmerzausschaltung durchgeführt werden dürfen  
  • Die Kastration sollte nur unter Anwendung von Anästhesie und Analgesie, bis zum Alter von maximal 42 Tagen, und nur von erfahrenen TierärztInnen durchgeführt und mit einer postoperativen Schmerzlinderung behandelt werden 
  • Kälber sollten nicht enthornt werden - die Herden sollten hornlos gehalten oder genetisch hornlos gezüchtet werden; bis dahin sollte bei allen Methoden und in jedem Alter, in dem das Enthornen durchgeführt wird, Schmerzlinderung angewandt werden 
  • Erfüllung von Grundbedürfnissen
Kühe auf dem Feld

Tierwohl und Ernährung


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