beunruhigender Gesundheitszustand von Nutztieren

Jedes vierte Tier, das als Produkt auf dem Teller landet, war krank

23.8.2018

Ein Viertel der Tiere, die in der Landwirtschaft als sogenannte Nutztiere ihr Dasein fristen, ist oder war krank. Wissenschaftliche Studien kommen zu erschreckenden Ergebnissen: Etwa 50 Prozent der Mastschweine sind lungenkrank. 40 Prozent haben schmerzhafte Gelenksentzündungen und Liegeschwielen. Bis zu 90 Prozent der Milchkühe werden durchschnittlich mindestens einmal im Jahr krank. Entzündungen des Euters, Stoffwechsel-Störungen und Klauenerkrankungen stehen an erster Stelle. Masthühner und Puten können am Ende der Mast aufgrund ihres schnellen Wachstums nicht mehr richtig laufen. Einige müssen verdursten, wenn sie nicht vorher notgetötet werden. Über 50 Prozent der Legehennen erleiden Knochenbrüche. Das Leben dieser Tiere ist kurz und schmerzhaft.

Warum sind so viele Nutztiere krank?

Um billig tierische Lebensmittel zu produzieren, werden die Tiere weit über die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht. Dabei spielt zum einen die Haltungsumwelt eine wichtige Rolle. Aber auch die Zucht der Tiere, die auf hohe Leistung oder schnelles Wachstum ausgelegt ist, führt vielfach zu Krankheiten. Einen ganz erheblichen Anteil macht auch die Qualität der Tierbetreuung durch den Tierhalter aus. Denn häufig verursacht ein schlechtes Management Krankheiten. Tageslicht, Raufutter und Einstreu, die Qualität des Futters und das Stallklima sind dabei wichtige Faktoren – ebenso wie die Qualität des Umgangs mit den Tieren. Viele Tiere sind krank, weil sie nicht adäquat versorgt werden.

Diese Zustände kommen nicht nur in industrieller Tierhaltungen vor! Leider sind auch viele Tiere in Bio-Betrieben betroffen.

Es muss sich etwas ändern!

VIER PFOTEN hat – gemeinsam mit foodwatch und Greenpeace – ein Positionspapier erstellt, in dem die wichtigsten Forderungen an die Politik formuliert sind. Um die hohe Erkrankungsrate in der Nutztierhaltung drastisch und nachhaltig zu senken, brauchen wir ein umfassendes, systematisches Tiergesundheitsmonitoring.

Hier gelangen Sie zu dem Positionspapier: Positionspapier Tiergesundheit

VIER PFOTEN fordert

  • einen gesetzlichen Rahmen für ein umfassendes, systematisches Tiergesundheitsmonitoring zu schaffen.
  • das Tiergesundheitsmonitoring durch unabhängige, geschulte Kontrolleure durchführen zu lassen.
  • umgehende Konsequenzen, wenn beim Gesundheitsmonitoring Missstände auffallen.
  • ein Tiergesundheitsprotokoll, ein Maßnahmenplan für Verbesserungen sowie Nachkontrollen und eine intensive Betriebsbetreuung und -beratung.

Wie kann ein Tiergesundheitsmonitoring aussehen?

Tiergesundheit lässt sich messen! Wissenschaftler arbeiten seit langem an der Entwicklung verlässlicher Indikatoren. Man kann den Gesundheitszustand der Tiere zum einen auf dem tierhaltenden Betrieb am lebenden Tier erfassen. Zum anderen kann man auch auf dem Schlachthof am toten Tier erkennen, ob das Tier krank war. Ein umfassendes Tiergesundheitsmonitoring bezieht beides mit ein.

In jedem Fall ist es unerlässlich, den Gesundheitszustand des lebenden Tieres zu erfassen. Nicht nur, um kranke Tiere behandeln zu können, sondern auch, um haltungsbedingte Ursachen abzustellen. Einige Indikatoren – wie beispielsweise verdickte Gelenke – können sowohl auf dem Schlachthof am toten Tier als auch auf dem tierhaltenden Betrieb am lebenden Tier erhoben werden.

Andere Indikatoren, wie zum Beispiel Lahmheiten oder Verhaltensstörungen, können nur am lebenden Tier erhoben werden. Zur Erhebung dieser Tiergesundheitsindikatoren (auch tierbezogene Parameter, kurz TBP genannt) müssen Kontrolleure speziell geschult werden. Einzelne Tiere werden intensiv angeschaut. Daraus kann man schließen, ob es den Tieren an Beschäftigungsmaterial fehlt oder ob sie ein anderes Futter benötigen.

Anhand der Ergebnisse muss ein Managementplan entwickelt werden, damit die Ursachen behoben werden können. Viele der Erkrankungen sind systembedingt. So führt zum Beispiel ein gezwungenermaßen dauerhaftes Liegen auf harten Liegeflächen bei Rindern und Schweinen zu Liegeschwielen. Als Maßnahme müsste konsequenterweise eine weiche Liegefläche vorgeschrieben werden. Aber nicht alle Erkrankungen hängen unmittelbar mit dem Haltungssystem zusammen. So kann auch Stress in der Herde zu Verletzungen bei den Tieren führen.

Die betriebliche Eigenkontrolle

Seit 2013 wird nach dem deutschen Tierschutzgesetz eine sogenannte betriebliche Eigenkontrolle am Tier gefordert. Bis heute wurde jedoch noch nicht festgelegt, wie diese betriebliche Eigenkontrolle genau aussehen soll. In wissenschaftlichen Projekten wird dies derzeit erarbeitet. VIER PFOTEN ist Mitglied in einzelnen Fach-Arbeitsgruppen. Diese betriebliche Eigenkontrolle kann jedoch keinesfalls ein unabhängiges Kontrollsystem ersetzen, das den Tiergesundheitszustand auf den einzelnen Betrieben unabhängig und objektiv erfasst und – je nach Ergebnis – verbindliche Verbesserungsmaßnahmen anordnet.

Tiergesundheitsmonitoring und Haltungskennzeichnung

Eine verpflichtende Haltungskennzeichnung ist nötig, um transparent zu machen, ob die baulichen und formalen Voraussetzungen für ein bestimmtes Maß an Tierwohl überhaupt gegeben sind. Nur Tierhaltungsbetriebe mit ausreichend Platz, Beschäftigung, frischer Luft, Tageslicht und im besten Fall einem Auslauf im Freien können den Tieren hinreichende Möglichkeiten eröffnen, arteigene Verhaltensweisen auszuleben. Allerdings können bauliche Voraussetzungen nicht garantieren, dass es den darin lebenden Tieren gesundheitlich gut geht. Denn auch in einer Freilandhaltung können Tiere erkranken. Nur durch ein konsequentes, betriebsgenaues Tiergesundheitsmonitoring ist es möglich, Schwachstellen zu erkennen und die Ursachen zu beheben. Durch vorbeugende Maßnahmen können Krankheiten verhindert und somit Tieren viel Leid erspart werden.

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